In den Winden der Welt - Tharon Radulfsson

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Tharon
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Beitrag von Tharon » 13 Okt 2007, 18:18

Immer wieder schnappte das riesige Maul zu, und jedesmal konnte Tharon nur knapp ausweichen. Einmal hatte die Riesenechse tatsächlich etwas zwischen den großen scharfen Zähnen, doch es war nur Tharons Schild, der ihm durch die ruckartigen Bewegungen des Kopfes der Kreatur beinahe aus der Hand rutschte. Es war aber die Gelegenheit für Nattfari und die anderen, der Echse den letzten Schlag zu versetzen. Als sie zu Boden krachte war jedoch an Rast nicht zu denken: Weitere der riesigen Wesen stampften heran, der Kampf verlief immer auf die gleiche Weise.
Große Verletzungen waren nicht zu beklagen, was einem Wunder gleich kam. Schon bei den Alanen, Vendus und Minotauren standen ihnen die Götter mehr bei als Tharon hoffen konnte. Ja, sie hatten die Blodhord vertrieben, aber hier, fern der Nordlande, gab es sie immer noch, unorganisiert, wilder und stärker.
Als sie die Ruine und den Wald hinter sich lassen konnten, nachdem sie die Steppe und ihre Echsen überwinden konnten, schien endlich die Zeit einer weiteren Rast gekommen.
Yila hatte zuvor schon Wunden versorgt. Der Elf Laarilus ruhte, auch Ceres und Nattfari brauchten die Pause, denn lang schon waren sie unterwegs, seit sie von Nordstein her aufbrachen. Elea, die junge Nordmärkerin, hielt sich tapfer. Sie war mehr an ihrer Umgebung interessiert als an ihren Wunden. Tharon wollte sich gerade setzen, als Nattfari eine Bewegung am Ende des Hügels, der nun vor ihnen lag, bemerkte. Es war nicht selbstverständlich, dass sie ihm alle folgten, denn er war nicht als Hetmann hierher gekommen, sondern als ein Suchender, der von einem Traum geschickt wurde. Keiner schien daran zu glauben.
"Vielleicht ist es nur ein Traum", sagte Nattfari.
"Bist DU schonmal einem Traum gefolgt?" war Tharons Frage.
"Nein."
"Ich auch nicht."
Das war der Grund, weiter durch das Wilderland zu reisen. Er hatte sich geschworen, niemals wieder hierher zu kommen, aber einige Antworten gab es vielleicht nur hier. Und der Traum war es, der ihn führte. Er WUSSTE, wen er aufzusuchen hatte und wieso.
"Also, da hat sich was bewegt?"
Sie liefen den Hügel hinauf.
Drachenartige.
Aber sie schienen nicht anzugreifen. Einer von ihnen sprach in fremder Sprache, doch Laarilus verstand sie. Warum, interessierte Tharon nicht. Wichtig waren nur die Antworten. Doch statt Antworten stellte der Drachenartige Rätselfragen über die bretonischen Götter. Yila konnte sie beantworten, Laarilus übersetzte.
Alles fügte sich:
Laarilus war dabei, um die Hinweise zu verstehen. Yila war dabei, weil sie Liras und Leban diente. Wieso Ceres und Nattfari? Im Traum hieß es, er solle fünf Leute mitnehmen. Nicht mehr, nicht weniger. Als sie in Edailech waren, da fragte er die ersten fünf, die ihm begegneten.
Aber die Reise schien am Ende. Gefressen habe er ihn, jenen, den sie suchten, sagte der Drachenartige und griff die Gruppe an. Dem Echsengezücht war nie zu vertrauen. Doch nicht nur diesen mussten sie fällen, auch andere verfolgten sie über das Feld, das sie nach Westen führte, denn dort habe er ihn gefressen, sagte der Drachenartige vor seinem blutigen Ende.
"Solving!"
"Tharon!"
Und gelogen hatten die Echsen wieder einmal.
Solving war wohl auf, und Tharons Erleichterung und Freude überragte für einige Momente die dunklen Gründe dieser Reise.
Als sie fortgingen und einander versicherten, dass sie sich wiedersehen würden, da wurde der abendliche Himmel für einen Moment erleuchtet, es roch nach Asche und Feuer. Und Solving war wieder auf Reisen, mit seinem Gefährten, dem Feuervogel.
Die Reise zurück war schwer und lang, und als sie wieder in den Nordlanden waren, da versicherten sie einander, über die Reise und ihre Ergebnisse vorerst Stillschweigen zu bewahren. Zu wichtig und zu düster waren diese Neuigkeiten.
"Wulfus muss davon erfahren", sagte Nattfari.
"Ich werde es ihm beizeiten sagen", sprach Tharon.
Das würde er auch, aber allein. Er hatte Solvings Blicke nicht übersehen, die er Nattfari an bestimmten Punkten seiner Erzählungen widmete, scheinbar grundlos.
Von Verrat hatte Solving gesprochen.

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Tharon
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Beitrag von Tharon » 18 Okt 2007, 11:52

Donar konnte bisher nichts berichten. Er habe ihn noch nicht gefunden, sagte er. Neues über die Wölfe wollte er nur dann wissen, wenn es wichtig für seine Aufgabe war. Das war es nicht. Und dass keiner vertrauenswürdig war, schien beiden klar zu sein.
Kurz nachdem auch Nattfari die Festung betrat, folgten Tharon und Donar nach. Es war Tharons zweiter Besuch in Nordstein, seitdem die Nordmärker und Nordsteiner hier Einzug hielten, seitdem Händler aus allen Winkeln der Lande hierher kamen.
Aslardill saß gemeinsam mit Runarnil, Fjalir und Yila an einem Feuer. Wahrscheinlich berichtete Runarnil von den Reitern der Finsterschlucht und ebenso wahrscheinlich war, dass Aslardill seine Sorge den Zwerg betreffend kundtun würde.
In einer anderen Runde waren bereits die Nordmärkerinnen Elea und Sybille, sowie Ceres zusammengekommen. Eigentlich sollte an jenem Tage in Nordstein entschieden werden, wer die freie Handelszone führen soll, doch die Entscheidung musste wohl verschoben werden, da Marcus, einer der Kandidaten, wohl verhindert war. So erzählten die beiden Nordmärkerinnen von ihren Erwartungen und Befürchtungen, was die Zukunft betraf. Zum Beispiel die Rolle der Landwehr oder die Art, wie man die Festung wehrhaft machen sollte. Tharon und Donar, der ihm wie ein Schatten folgte, gaben Ratschläge, so gut wie konnten und wollten. Manches erinnerte an die alten Zeiten des Nordischen Rates. Auch damals waren es die Mauern Nordsteins, die sie umgaben, als sie Entscheidungen trafen, die Krieg und Frieden verursachten, Entscheidungen welche letztlich das Scheitern verursachten und dem Rückzug nach Midgard das Tor öffneten. Aber nun waren sie wieder hier. Und die Wölfe, sowie die Reiter aus der Finsterschlucht, nicht zuletzt der wacklige Frieden mit Bretonia bestimmten die Ereignisse. Aber heute wollte Tharon sich nicht weiter damit belasten -was konnte man jetzt gerade schon tun?
Schon der erste Besuch in Nordstein war wesentlich angenehmer als man hätte erwarten können. Und auch heute zeigte sich, dass gewisse Unterschiede nicht zwingend zu Streit und Chaos führen mussten. Nordstein hatte er für sich ohnehin schon vergessen. Alle Augen waren nun auf die Nordmärker gerichtet, und das war gut so. Es schien richtig.
Sybille schien zu ihm auf zu schauen, und wie beim ersten Besuch schien seine Anwesenheit in der Runde ihr ab und an mal die Worte zu rauben. Ja, er war der Hetmann, ja, die Norwingar hatten viel erreicht. Selbst wenn er nun sagen würde, dass er all das aus Notwendigkeit getan hatte und dass er selbst keinen Ruhm beanspruchen wollte, niemand würde es glauben. Es würde ebenso vermessen klingen wie das Gegenteil. Und schon die Gedanken daran waren eigentümlich.
Letztlich war es ein guter Tag in diesen Mauern.
Selbst diese eine Begegnung, bevor auch er die Festung verließ, konnte es nicht trüben:
Die junge Nordfrau, eine der 'Wölfe', betrat tatsächlich die Festung. Für die Geschehnisse im Hof hatte sie nur leisen Spott übrig, als sie von der Vielfalt des Ortes sprach.
Leise sprachen sie, in ihrer Sprache natürlich, und etwas abseits standen sie, als Tharon das Angebot an die 'Wölfe' wiederholte. Er wusste, dass auch Wulfus ihr schon begegnete und dass sie das Angebot also schon kennen mussten. Dennoch wiederholte er es, weniger um es zu bekräftigen, mehr um ihre Reaktion zu beurteilen.
"Er wird kommen", sagte sie am Ende der Begegnung.
Und wieder verfluchte er Nordstein und das Schicksal. Wäre sie ihm mitten in der Wildnis oder näher an Tilhold begegnet, er hätte sie mitgenommen und verhört, mit allen Mitteln. Dass die 'Wölfe' auf das Angebot eingehen würden, schien ihm zweifelhaft, selbst mit den eigenen Hintergedanken, die er und Wulfus dabei ins Auge gefasst hatten.
Der beste Plan scheiterte meist schon, bevor er richtig beginnen konnte.

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Beitrag von Tharon » 25 Okt 2007, 19:00

"Wulfus und Donar müssen wohl erst ihren Kram erledigen", murmelte er mürrisch, als sie im westlichen Lager am Feuer saßen, Wunden leckten und fremdes Blut vom eigenen an Rüstung und Waffe trennten.
Tharon fragte Nattfari, was er von den 'Wölfen' hielt. Weniger um seine Meinung zu hören, mehr um das in die Wege zu leiten, was getan werden musste. Seine Antwort hatte er so erwartet. Dann sprachen sie noch über Lasien, als die Zwerge Runarnil und Fjalir schon längst fort waren, wie auch die unbekannte Nordmärkerin. Sigandi blickte ins Feuer, auch er war wie die anderen erschöpft und erschlagen von den vergangenen Ereignissen.
Als Donar und Wulfus sich an der Taverne Tilholds begegneten, fragte sich Tharon, ob er besser dabei geblieben wäre. Immerhin waren Wulfus' Worte vor einigen Tagen sehr deutlich, was er mit Donar anstellen wollte. Doch es schien nun so, als würden sie reden wollen, vorerst.
Tharon hatte außerdem keine Zeit für Gerede, hatte doch die junge Nordmärkerin berichtet, dass Lasien grüßen lasse. Und dass er Tharon besuchen werde. Was dieser Besuch bedeutete, konnte er sich leicht ausmalen, als er an den letzten Brief des Finsterschluchtdieners dachte. Und als die Wachen Tilholds berichteten, Lasien und einen dieser Diener des Meeres westlich gesehen zu haben, warteten sie nicht mehr lange, überließen Donar und Wulfus sich selbst und zogen in den Kampf.
Drakoskrieger, wie erwartet. Sie waren gerüstet wie die Krieger, die Edailech unsicher gemacht hatten. Lasien war bei ihnen, mit ihm ein Diener des Meeres, ein Bretone, was auch zu erwarten war.
"Lass ihn gehen!" brüllte Tharon.
"Ja, ich lasse ihn gehen", antwortete Lasien.
Und er streckte den Bretonen nieder.
Runarnil zögerte nicht weiter. Doch statt gegen die anstürmenden Drakoskrieger zu kämpfen, die Lasien gegen Tharon und die anderen hetzte, verfolgte er den Elaya. Wie immer war Runarnil voreilig. Und als die erste Gruppe Krieger getötet war, trafen sie schon auf die nächsten.
"Runarnil!" brüllte Tharon.
Sie konnten den gedankenlosen Zwerg besser hier gebrauchen als bei der leichtsinnigen Verfolgung Lasiens in den unnatürlichen Nebel, der sich gebildet hatte. Schlag auf Schlag ging es. Und wie durch ein Wunder fielen die Drakoskrieger, aber Tharon und seine Begleiter, Nattfari, Sigandi, die Zwerge und die Nordmärkerin, sie blieben nahezu unverletzt.
Sieben Tage gab Lasien dem Zwerg. Und er spielte darauf an, dass Runarnil in der Finsterschlucht von Wölfen verletzt wurde -die letzten Wolfsbisse taten zumindest den Bretonen nicht gut.
"Sieben Tage. Wofür?" fragte Tharon.
Aber Lasien lächelte, auf seine Weise. Und er antwortete nicht.
Als Runarnil gegen ihn stürmte, da ließ auch Tharon sich nicht weiter lumpen -in der Hoffnung, ihn unschädlich machen zu können, um einen Gefangenen zu haben, wie es schon einmal war. So schlug er hart zu, aber vermied es, lebenswichtige Bereiche zu treffen, um Lasien zum Aufgeben zu zwingen. Doch Runarnil war nicht zu belehren:
Lasien fiel und starb. So schien es. Doch sein Leib verging im Nebel, seine Fratze schaute aus dem Nebel die Kämpfer an.
"Wir sehen uns wieder", flüsterte er.
Welch Hexenwerk ging nur in dieser Schlucht vor sich?
Das alles konnte vielleicht die Kreatur sagen, die sich als Tharons Weib ausgab. Das erste Mal sprach Tharon vor anderen davon. Das erste Mal wurde ihm deutlich, wie sehr die Finsterschlucht das Leben im Norden beeinflusste, solange Tharon auf ihre Rückkehr hoffte.
Besser war es, nichts zu hoffen.

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Beitrag von Tharon » 27 Okt 2007, 19:19

"Hat es etwas gesagt?"
"Nein. Nichts. Wir sind ohne Rat."
Grimmig musterte Tharon die Kreatur, welche die Finsterschlucht als sein "Weib" freigegeben hatte. Erst gestern war er dort, und heute fragte er wieder. Auf keine Frage antwortete das Wesen, wohl aber sprach es mit Tharon -und nur mit ihm. Doch brauchbare Informationen waren aus dem Gerede nicht zu bekommen. Es machte kein Geheimnis aus seiner wahren Erscheinung, es wollte gar nicht verbergen, was es war und was es vor allem nicht war.
Anlass für ihn, es noch einmal zu versuchen, war zuerst eine Unterhaltung mit Myrkva. Sie hatte es sich selbst immer noch nicht verziehen, doch konnte sie einen neuen Weg beschreiten, denn Freya hatte ihre Gebete erhört.
"Ich bin kein Mann für dich. Mein erstes Weib nahm sich und unserem ungeborenen Kind das Leben, wegen mir. Und mein zweites Weib ist verloren in der Finsterschlucht."
Das hatte er zu sagen.
Doch Myrkva schien die Hoffnung für Tharon nicht mehr zu haben. Und sie schien nicht mehr verbittert, sondern hatte neuen Mut durch die Göttin geschöpft. Neue Aufgaben wollte sie haben, und neue Aufgaben würde sie dann auch bekommen.
Der zweite Anlass war Kjari.
"Es tut mir leid", sagte sie, als sie mehr oder weniger deutlich von Tharon erfuhr, was mit Chiva geschehen war.
Doch es musste ihr nicht leid tun. In diesem Augenblick aber wurde ihm klar, dass er nichts unversucht lassen durfte, mehr von diesem Wesen zu erfahren. Es war nicht umsonst hier.
"Was willst du hier?" fragte er also.
Kein Schmerz und keine Folter mochten helfen.
"Ich werde noch einmal herkommen. Wenn du dann nicht redest, werde ich deine schandhafte Existenz beenden."
Nun war er wieder auf dem Weg gen Westen. Auf Höhe der Taverne Tilholds legte er eine Rast ein, ohne sie jedoch zu betreten. Denn er wollte nicht unter Menschen sein. Lug und Trug umgaben sie.
Tharon betrachtete seinen Geldbeutel. Die 50 Goldmünzen wären eine gute Investition gewesen, aber Taleth gab sie ihm tatsächlich zurück. Entweder war dies ein weiterer Beweis, dass seine Informationen stimmten oder er wollte auf dem Weg eine Lüge bekräftigen. Trotzdem würde Tharon jenen aufsuchen, den Taleth belastete. Wenn diese Beobachtungen des Händlers wirklich stimmten, dann lag Tharon mit seiner Vermutung richtig, dann hatten die 'Wölfe' einen Spion in Tilhold. Die Beschreibung reichte aus.
Kjari vertraute Taleth nicht, und sie glaubte ihm wohl kein Wort.
"Was wirst du mit diesem Wissen anfangen?" fragte sie ihren Hetmann.
"Ich kann es nicht ignorieren, und er wird mir etwas erklären müssen."
Nun saßen sie schweigend am Lagerfeuer, als die Ratte des Weges kam: Ishaseth. Bei sich trug er blutige Leinenbündel von der Größe eines Kopfes. Ohne zu zögern rief er den Hun.
"Aufmachen."
Es waren Gedärme. Was auch immer Ishaseth damit tun wollte, außerhalb Tilholds war es seine Angelegenheit. Doch diese Begegnung war für Tharon der Anlass, lang gehegte Pläne auch umzusetzen. Es war genug. Alle spazierten sie wie es ihnen gerade war durch Tilhold, als wäre es unbesetztes freies Land. Kein Wunder, dass Drakoskrieger oder 'Wölfe' es so leicht hatten, ihre Spiele zu spielen.
"Hast du je vor etwas Angst gehabt? Und ich meine das Gefühl der Aussichtslosigkeit."
Tharon sah den Hun lange an, bevor er antwortete:
"Ja."

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Beitrag von Tharon » 01 Nov 2007, 19:39

Die Klauen schlugen ihre Wunden, auch an geschützten Stellen. Sie schienen ihre Ziele genau zu kennen. Wie sie kämpften, wie sie verteidigten und angriffen. Und nicht nur Tharon kannten sie beim Namen, auch Ceres und Myrkva, ja sogar Runarnil war ihnen bekannt. Sie wussten viel. Es war zu erwarten, aber in dem Maße war es dennoch eine kleine Überraschung. Was sie über die Nordlande sagten entsprach hingegen ganz Tharons Erwartungen.
"Hast du noch mehr zu sagen?"
"Nein."
"Gut!" brüllte Tharon und ließ seine Klinge sprechen.
Die anderen Wölfe, bis auf den Anführer dieser Gruppe, waren schon gefallen. Als Tharon sah, was sie mit ihren Gefangenen machten, da gab es kein Zögern mehr. Sie griffen die Wölfe an. Klaue gegen Schwert, Stab, Hammer und Axt. Tiefe Wunden, Blut. Mehr als einmal schien der Ausgang des Kampfes ungewiss.
Die Wölfe. Sie hatten wohl einen Pferdewagen und seine Begleiter überfallen, bretonische Händler. Und eine Fracht erwähnte der einzig Überlebende. Eine unbekannte Fracht mit einem unbekannten Ziel in Bretonia. Nur der Anführer der Händler wusste die Einzelheiten, aber die Wölfe hatten ihn, wie die anderen, mitgenommen.
So folgten Tharon, Sigandi, Ceres, Runarnil, Fjalir und Myrkva den Spuren bis zum westlichen Wald.
Und als die Wölfe den letzten Bretonen abschlachteten, ihm Arme und Kopf abschnitten, konnten sie nicht mehr warten, und sie kämpften bis zu ihrem Ende. Der Anführer dieser Gruppe schien überzeugt und stolz. Selbst der brennende Dolch wollte seine Meinung nicht ändern. Tharon musterte ihn, während er zum Reden gebracht werden sollte. Kein klares Wort sprach er. Und er kam auch nicht mehr dazu, als ein Schütze ihm einen Pfeil durch die Kehle bohrte. Die Zwerge verfolgten den unbekannten Nordmann mit Wolfsmaske und Wolf, aber viel war nicht zu erkennen, und er konnte entkommen.
"Sigandi!" brüllte Tharon.
Doch alle Mühen waren umsonst, der Wolf starb.
"Wir lassen ihnen ihre Toten. Die toten Bretonen nehmen wir mit, wie den Wagen."
Schweigend sammelten sie auf, was die Wölfe übrig gelassen hatten. Schweigend kehrten sie zur Station zurück. Myrkva sprach mit dem Überlebenden, der nach einem Tag gemeinsam mit den Waren und den Toten bis Edailech eskortiert werden würde, zusammen mit einer Nachricht für die Kanzlerin.
Dann, es war wohl wieder an der Zeit, kam Runarnils Misstrauen. Er hielt den Bretonen, schwach, ängstlich und verwundet, für einen Verräter. Keiner sah es so, nur Runarnil. Für Tharon hatte der Zwerg plötzlich gar harte und abweisende Worte übrig. Tharon blieb ruhig, so gut es ging. Er wollte keine Schwierigkeiten mit Aslardill provozieren, also nahm er die Reden des Zwergen hin, bis sie etwas seltsames entdeckten:
Seine Augen waren verändert, das Siegel der Finsterschlucht lag auf seiner Stirn. Natürlich war es für diesen geistlosen Wicht keine Schwierigkeit. Sein Pfad schien vorgezeichnet, auch wenn er nicht verstand, was es wirklich bedeutete, das Schicksal anzunehmen.
"Ceres. Finde in Edailech die Bretonin Yila, und sage ihr, dass ich sie sprechen muss."
Myrkva indes bekam den Befehl, sich mit Nattfari zu unterhalten, Sigandi bereitete den Transport des Pferdewagens vor.
Und Tharon schrieb erneut einen Brief...

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Beitrag von Tharon » 02 Nov 2007, 19:29

Zuerst musste er sich wundern über Aurelias Brief. Sie schrieb von einem Überfall der 'Wölfe' auf Bretonen, und dass sie gar Forderungen stellten, denn sie hatten einen Bretonen entführt. Dann wunderte er sich darüber, dass die 'Wölfe', die sich ihnen kürzlich in den Weg stellten, keine Gefangenen machten und sehr viel über ihre Gegner wussten. Und wo blieb der Anführer, der "reden" wollte?
Und nun, heute, musste er sich doch sehr über den Brief von Wulfus wundern, dessen Leute nun den Süden Tilholds sicherten:
Ohne Absprache schickte er seine Mannen, die zuvor in alle Winde verstreut und mehr als unorganisiert waren, los -erst dann informierte er Tharon. Früher hätte es im umgekehrten Fall mehr als nur einen entschlossenen Antwortbrief gegeben. Und es geschah damals ja auch. Tharon erinnerte sich daran, wie er und Donar das Kommando übernahmen, als die Riesenameisen durch die Mark marschierten und Wulfus unauffindbar war. Damals hatte es Folgen.
Es war schwierig, zu erkennen, worauf das alles hinauslaufen sollte. Donar und Wulfus hatten was auch immer beredet, aber es schien Tharon so, als wäre es nicht zur Zufriedenheit beider angelaufen. Gefragt hatte er keinen. Und Donar hatte noch keine Gelegenheit, Tharon etwaige Berichte aus Bretonia zu überbringen.
Und Ishaseth? Nun, der Hun war wohl sicher schon auf seiner Reise in die Finsterschlucht. Gestern hatte er gesagt, er wolle sich das Land ansehen. Es war also die beste Gelegenheit, ihm ein Bündel in die Hände zu geben, denn den Inhalt, den brauchte Tharon nicht mehr.
Als er dem Wesen, das sich als Chiva ausgab, den Kopf abtrennte, da spürte er nichts. Es änderte auch nichts. Alles blieb wie es war.
"Würdest du mir den Kopf abtrennen, wenn du könntest?" fragte Ishaseth.
"Ja. Wenn du mir einen Grund gibst", war die Antwort.
Und dann sagte der Diener des Khagan, Tharon habe noch einen weiten Weg vor sich, das Schicksal halte noch mehr für ihn bereit. Wer war dieser Kerl, der etwas über die Nornen wissen wollte? Doch Tharon blieb ruhig.
"Bist du dir sicher? Mein Leben hatte genug Wendungen für mehrere Leben."
Seine Zeit sei wohl vorüber. So oder so ähnlich sprach Ishaseth von sich selbst.
"Du bist zu beneiden."

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Beitrag von Tharon » 07 Nov 2007, 20:14

"Dann sei Skadi mit dir. Überbringe deinen Eindruck. Du hast eine halbe Stunde. Für einen Wolf also mehr als nötig -dann werden Kundschafter deinen Spuren folgen, dich aber nicht weiter belästigen."
Tharon blickte ihm nach.
Das war er also, der Anführer der Wölfe, des Rudels. Zumindest war er der Anführer EINES Rudels, denn er machte kein Geheimnis daraus, dass es mehr als eines gab und dass nicht alle den Weg auf gleiche Weise gingen -dennoch schien es EIN Ziel zu geben. Welches, das war klar, sagte dieser Nordmann nicht. Stattdessen machte er einige seltsame Andeutungen, von denen einige nicht unbeachtet bleiben würden.
Als dieser Kerl schließlich seine Sicht der Dinge erklärte und eine recht weitreichende Frage stellte, da glaubte Tharon erst an einen schlechten Witz, doch er meinte es genau so wie er es sagte.
"Es gibt im Augenblick keinen Grund für uns, das zu tun", sagte Tharon dann.
Doch er konnte dem Rudelführer gewisse Dinge versichern; Dinge, welche Tharon ohnehin nie getan hatte und auch niemals zu tun gedachte! Und es war dem Wolf zu glauben, als er von den letzten Ereignissen sprach. Sicher war es falsch, wenn Nordmannen Nordmannen töteten, und sicher war Blut dicker als Wasser. Doch dass es einen Preis für ihren Weg zu zahlen gab, den sicherlich Unschuldige bezahlen würden, schien ihm nicht so recht aufgehen zu wollen. Zwischen seinen Worten, oder dahinter, im Schatten des Schweigens, konnte Tharon deutlich erkennen, wie dieser Mann dachte. Und wie groß der Hass war. Sie waren zu allem bereit -doch was, das konnte er nicht sehen oder verstehen. Etwas Großes hatten sie vor, zu tun, das stand fest.
Und dennoch ließ der Wolf es nicht darauf beruhen, alle letzten Geschehnisse als eine Aktion der Rudel zu betrachten. Den Kleriker, den hatten sie nicht.
"Spielt es eine Rolle?" fragte Tharon.
Denn bei dem, was sie tun wollten, machte es wohl nichts aus, wieviele Bretonen auf dem Weg dahin gemeuchelt werden würden -scheinbar grundlos. Aber nur scheinbar. Dass es AUCH um Nordstein ging, war kein Geheimnis mehr. Und solange Bretonen in der Nähe lebten, sahen sie eine Gefahr für den Norden.
"Hast du denn vergessen, was sie getan haben, hast du die Vergangenheit vergessen?" fragte der Wolf.
Nein, ganz und gar nicht hatte er etwas vergessen. Und es gab wohl nur wenige Bretonen, die er respektieren konnte, ohne an die Vergangenheit erinnert zu werden. Der König gehörte nicht mehr dazu. Doch eben WEGEN der Vergangenheit konnte er den Weg der Wölfe SO nicht mit ihnen gehen, niemals.
Später, in Tilhold, schickte er einen Boten in die Stadt.

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Beitrag von Tharon » 11 Nov 2007, 18:49

"Jammer nicht rum. Dieses Zeug stammt aus Nordstein, es ist und war Eigentum Rokils, der schon lange bei den Göttern ist. Und wir brauchen es nicht -daher...und um mal was Sinnvolles zu tun, rück es raus!" brüllte Tharon.
Der kleine Mann schaute ihn ängstlich an.
"Und darf ich fragen, wozu diese doch beträchtliche Menge?"
"Sagen wir mal, es ist für einen guten Zweck und schützt das ein oder andere Leben."
Tharons unmissverständlicher Ausdruck und Blick sorgten für eine schnelle Abwicklung. Zur Not hätte dieser Nichtsnutz ebenso einen Schlag abbekommen wie Taleth, als sich herausstellte, was er da tat.
"Sechs Monate", sagte er Taleth. Das war die Frist.
So war kurze Zeit später alles verfügbar und konnte jederzeit von ihm abgeholt werden.
Als Tharon dann am Abend in Tilhold eintraf, da hörte er von den Gesängen der Waräger. Offenbar eine Trauerfeier, wie einer der Späher, die in der Nähe der Brücke waren, herausfand.
"Wer ist gestorben?" fragte Tharon.
"Das kann ich nicht sagen. Nur den Gesang hörte ich. Sie schienen alle versammelt, die Waräger."
"Nun, Wulfus sprach von Angriffen gegen ihn und seine Sippe. Sobald etwas geschieht, werden wir wohl alles Notwendige erfahren."
Tharon sagte das mit einem leichten Knurren in der Stimme, denn seit die Waräger sich lossagten und wohl nach Süden zogen hörte man kaum noch Neues. Es schien, als würden sie sich von den anderen Nordmannen fernhalten wollen, sich vielleicht auch abschotten zu wollen. Wulfus hatte diese Angriffe erwähnt, und ebenso, dass Bretonen daran beteiligt waren. Nun, es konnten wohl kaum Soldaten des Reiches sein. Wieso sollten sie so einen Schritt wagen? Es müsste ihnen doch klar sein, dass sie den ganzen Norden, mitsamt der ohnehin aufrüstenden Zwerge, gegen sich aufbringen würden. Tharon beschloss dennoch, vorerst abzuwarten und auf eine Nachricht von Wulfus zu hoffen. Wie verlässlich das alles war, konnte er sich aber schwer sagen.
Spät in der Nacht ritt er noch zur Station, um zu sehen, ob alle Zwerge Unterkunft hatten. Aslardill hatte Frauen, Kinder und wehrlose Zwerge in den Norden geschickt, nachdem er der Finsterschlucht den Krieg erklären ließ.
Wäre das alles auch ohne Runarnils Zutun und Verschwinden geschehen? An dessen Tod glaubte wohl keiner, der schon einmal mit der Schlucht zu schaffen hatte. Also würde früher oder später etwas passieren.
Die verfluchte Schlucht. Man wurde sie nicht los, egal wie sehr man es auch versuchte. Als wäre es eine weitere Prüfung durch die Götter.
"Wieviele noch?" fragte Tharon, als er kurz vor Morgengrauen ein Gebet sprach.

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Beitrag von Tharon » 15 Nov 2007, 18:37

Nicht alles schien düster:
Die Nordmärker kamen zur Tilholdburg, um mit Tharon zu sprechen. Zuerst waren die Dinge, die sie ihm sagten zwar recht seltsam, doch nach und nach zeigte sich, dass sie schon genauere Vorstellungen von den Dingen hatten, die zu tun waren. Offenbar brauchten sie eine Weile, um die Art zu beschließen, wie sie ihre Geschicke lenken wollten. Und sie hatten sich für einen Anführer und einen Rat entschieden -nur wer dieser Anführer sein sollte; das war ihnen noch nicht klar. Prüfungen hatten sie sich ausgedacht, um zu entscheiden, wer der Auserwählte sein würde. Das schien Tharon zwar recht merkwürdig, aber wenn es ihr Wunsch war -und zuerst waren sie davon nicht abzubringen- sollte es wohl so sein.
Elea, Mylinda und Marcus waren es, die zu ihm kamen. Und recht schnell zeigte sich, dass Elea am meisten zu sagen hatte. Die anderen beiden standen ihr mit Rat und Tat zur Seite -also versuchte Tharon, Aslardill war auch dabei, die jungen Nordmärker dazu zu bewegen, zu erkennen, dass sie schon mitten in allen Entscheidungen waren.
Endlich begriffen sie -ob es die Furcht vor der Entscheidung oder Unwissenheit war, konnte Tharon nicht erkennen -irgendwie war ihm heiter zumute, dass es so lang dauerte, bis ein junges Volk merkte, wie wichtig und wie besonnen es bereits war.
Sie wählten Elea -eine gute Wahl, kannte sie Tharon doch von der Reise ins Wilderland, als sie Solving suchten. Schon dort hatte sie Klugheit, Ausdauer und Kraft bewiesen. Sie würde es schaffen. Dann luden sie ihn ein, in wenigen Tagen, heute wäre es der Fall, Nordstein aufzusuchen, um die aktuellen Geschehnisse im Norden in Ruhe zu bereden.
Und da gab es wohl nicht wenig.
Immerhin zogen die Waräger nun gen Süden. Ihr Rachefeldzug, der sich -so hoffte Tharon- wirklich nur auf die Mörder beschränken würde, nahm schnell Gestalt an. Tharon verstand ihre Beweggründe, da gab es keinen Zweifel. Doch es würde nicht lange dauern, und der Handel mit dem Süden käme zum Erliegen -zwar sollten keine Händler angegriffen werden, aber welcher verweichlichte bretonische Händler würde es nun noch ernsthaft wagen, die Brücke zu passieren, über kurz oder lang? Das dürfte ebenso einige interessieren -mindestens Nordstein und Tilhold würden irgendwann betroffen sein.
Nun, auf dem Weg nach Nordstein, erinnerte er sich an den Augenblick, als er die Zukunft Tilholds beschlossen hatte, in einem nur knappen Satz:
"Dann wirds wohl Zeit."
Der Stamm wurde aufgelöst. Die Huginner besetzten nun ohne die Waräger Tilhold. Alle freien Nordmannen blieben unbehelligt, wer ihnen beitreten wollte, würde einer harten Prüfung unterzogen werden.
Er weinte dem Stamm keinerlei Träne nach. Es war ohnehin nicht mehr so, wie es einst war. Den Moment hatte er kommen sehen, und nun war es eben der Augenblick. Anlass, wenn auch nicht Grund, war das interessante Gespräch zwischen Kjari und Wulfus. Sie machte ihm Vorwürfe, wegen seiner Entscheidung. Tharon konnte ihren Zorn sehr wohl nachvollziehen, doch es war die Sache der Waräger -er konnte sich wohl leichter als andere mit diesen Tatsachen abfinden, obschon er selbst anders entschieden hätte. Als Kjari dann erwähnte, dass Donar sich wohl wieder Wulfus angeschlossen habe, bestätigten sich Tharons Gedanken. Nun, Donar war Waräger. Aber hatte er nicht Tharon seine Treue versichert? Wo war sie nun, schon nach kurzer Zeit? Die Waräger zogen in den Kampf, vielleicht ihrem Ende entgegen -denn wieso sollte Bretonia sich das ansehen? Und Donar zog mit. Es war seine Wesensart, es war wohl sein Schicksal. Und seine Worte nichts wert.
Tharon erinnerte sich an eine Redewendung, die er mal im Süden aufgeschnappt hatte. Dann konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen und erreichte Nordstein.
Unterwegs hatte er noch Ausschau gehalten, ob er Runarnil und Fjalir ausmachen konnte. Weit gekommen waren sie in dem Gewirr an Reitern, Patrouillen und Händlern noch nicht gekommen, mit ihren kleinen Beinen -aber er fand sie nicht.
Die Erzählung Aslardills und die Gerüchte, dass beide nun der Schlucht anheimgefallen waren schien auf seltame Art sinnvoll.
Als der Hetman der Huginner das Tor erreichte, ließ er diese Gedanken hinter sich.
Nun galt es, Neues zu beschließen. So war es nur gut, dass er Myrkva als Abgesandte der Nordmannen empfohlen hatte. Sie diente nun Freya. Das, so hoffte er, war ein gutes Zeichen. Die Nordmärker kannten sie noch nicht, also würde er sie ihnen vorstellen.
In Freyas Namen.

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Beitrag von Tharon » 19 Nov 2007, 23:09

Nun standen sich Waräger und Bretonen gegenüber -wie einst, als Waräger und Huginner den Norden forderten. Aber hatte dies auch nur annähernd diese Bedeutung? So sehr Tharon auch die Gründe der Waräger verstand -und er würde ebenso handeln- so sehr war es auch, gerade jetzt, eine mehr als nur beunruhigende Lage. Denn wenn die Bretonen wirklich mit allem, was sie hatten, auch Eldorians Truppen aus Edai, aufrücken würden -die Waräger wären schneller in Walhalla als sie ahnen mochten.
Tharon hatte eine Nachricht von Wulfus bekommen, und es wirkte so, als wäre es eine letzte Botschaft, als wolle er letzte Angelegenheiten regeln und sich bei Tharon ins rechte Licht rücken, bei allem was dort geschah. Das musste er nicht. Bei allen schlechten Gedanken der letzten Monate, die Wulfus galten, es spielte keinerlei Rolle mehr. Aus dem Bauern wurde wieder ein Krieger -wohl eher seine Bestimmung. Und es schien, als wäre er sich sicher, dass dies der letzte Weg seiner Waräger war. Da war es wohl richtig, dass Donar seine Worte gegenüber Tharon vergessen haben musste, als er sich den Warägern wieder zuwandte.
Tilhold sollte neutral bleiben, so war es Wulfus' Wunsch -und wohl auch, weil viele der Frauen und Kinder der Waräger nun bei den Huginnern lebten. Und natürlich auch aus den Gründen, die auch Tharons waren: Tilhold war das einzige, das den Nordmannen gehörte. Und das musste so bleiben. Dennoch steckte in Tharon der Wunsch, den Warägern beizustehen, in diesen Dingen. Sobald die Bretonen weiter vorrücken oder anderweitig unvernünftig würden, wäre dies auch der Fall.
Und Tharon nahm an, dass alle es wussten.
So gab es aber nicht nur die Botschaft von Wulfus, auch ein Brief aus Bretonia erreichte Tilhold:
Ein Bankett in Bretonia.
Nichts kam ihm nun befremdlicher vor, bei allem, was hier passierte. Während also im Norden weiter Blut und Tod lauerten und der Fluss von einem unnatürlichen Siegel der Finsterschlucht heimgesucht wurde, dachte man in Bretonia daran, den Geburtstag des Thronerben zu feiern. So seltsam es nun auch war, Tharon nahm die Einladung an. Und zwar weil es, wie auch Aslardill richtig sagte, ein Weg war, gewisse Punkte direkt anzusprechen. Ob das nun der richtige Anlass war oder nicht, schien beiden recht unerheblich.
"Angesichts der Lage hier im Norden ist es recht still geworden um die Wölfe", sagte Tharon.
"Das wollte ich auch sagen", erwiderte Aslardill.
"Zu still."

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Beitrag von Tharon » 23 Nov 2007, 10:55

Und still war es immer noch, als Tharon am Morgen des Banketts in den Hof der Tilholdburg schritt. Geschlafen hatte er nicht, stattdessen saß er den Rest der ohnehin nicht langen Nacht wach am großen Eichentisch, oben im Turmzimmer. Dort, wo sein falsches Weib einst war und dort wo er stets die Blodhord beobachtet hatte. Nun war Nordstein wieder frei und das Wesen aus der Finsterschlucht erschlagen. Kein Bedauern.
Seit der letzten Nacht, als Tharon von der Brücke zurückkehrte, herrschte diese Stille in Tilhold. Als er, weit nach Mitternacht, in den Hof kam, da rief er die Wachen, Krieger, alle, auch Waräger zusammen. Die Frauen und Kinder der Waräger lauschten Tharons eindringlichen Worten -und sie schienen es verstanden zu haben. Die Krieger der Huginner blickten ernst ihren Hetman an und lauschten den Worten ebenso aufmerksam. Kein Wanken war in Tharons Stimme, kein Zweifel mehr.
"Ist das dein Ernst? Das bedeutet, dass..."
"Ja, das bedeutet es", war die entschlossene Antwort.
Die Männer und Frauen nickten stumm. Tharon sah alle der Reihe nach an, auch die Waräger. Er nannte ihnen die Bedingungen und alles, was sie wissen sollten.
"Es bleibt also euch überlassen. Wo ist Solia?"
Keiner wusste es genau.
"Gut, wird sich finden lassen."
Dann wurden einige Feuer mehr entzündet als sonst, so dass Tilhold in der Nacht hell erleuchtet war, denn auch aus der Ferne sollte man es sehen, sollten ganz bestimmte Menschen es sehen können, nein, müssen. Tharon sprach ein leises Gebet mit allen Anwesenden, ein Gebet vor allem an Odin und Thor. Heiler waren schon unten an der Brücke, alles andere erledigt und besprochen.
Schließlich ging er ins Turmzimmer. Dort ruhte etwas in seinen Händen, das er bis zum Morgengrauen stumm betrachtete -ohne müde zu werden. Erwartet hatte er es, wenn auch nicht auf diese Weise. Doch so war es der einzige Weg, das war nun deutlich. Wäre er in dieser Lage, es wäre das gleiche zu tun. Und zwar aus anderen Gründen, nicht weil einer von Bretonen getötet wurde -das war auch schon lange nicht mehr Wulfus Grund. Vielmehr war es ein Anlass für etwas, das schon lange in den Warägern vorging und nun endlich seine Bestimmung finden würde.
So hatte es auch Donar formuliert, als er und Tharon sich im Wald nahe der Brücke trafen. Tharon wollte in erster Linie wissen, was er in Bretonia in Erfahrung bringen konnte. Das war nicht viel, aber genug, um beim Bankett eine gewisse Wachsamkeit aufrecht zu erhalten. Dieses Bankett war nun noch sinnloser als vorher. Andererseits war es nun die einzige Möglichkeit, zu helfen -nämlich bestimmte Situationen zu vermeiden.
Donar war einerseits entschlossen, andererseits hatte er Zweifel, was bestimmte taktische Punkte betraf. Und er sagte, er habe lange geglaubt, dass er mit den Bretonen wie auch immer auskommen könne. Offenbar irrte er sich, doch im Nachhinein, bei späterer Betrachtung, schien es Tharon, als würde es weniger um die Bretonen gehen. Nein, sicher nicht, denn es ging um anderes. Um den Weg der Waräger, der nun am Ende war -zumindest am Beginn vom Unvermeidlichen.
"Was meint ihr? Wie lange hält der Frieden noch an?" fragte Umbard, der des Weges kam.
"Welcher Frieden?" war Donars Gegenfrage.
"Nun ja eher eine trügerische Stille. Zu still für meinen Geschmack", sagte Umbard dann, mit einem Blick zur Brücke.
"Oh, es wird sicher noch lauter werden", murmelte Tharon dann.
"Ganz sicher...denn sie wollen ihre Grenzüberschreitung nicht eingestehen", brummte Wulfus, der nun auch den Hügel erreichte.
Donar drängte darauf, schnell eine Entscheidung zu suchen, um das Warten zu beenden. Innerlich stimmte Tharon zu, denn das Warten kann sie aus vergangenen Tagen. Es war der Waräger Kampf, doch gemeinsam standen nun die Nordmannen dort, wo sie einst schon standen, den Bretonen gegenüber. Und wäre Tilhold nicht, wären nicht jene, die man zu schützen hatte -was würde Tharon nun wirklich aufhalten?
Es kamen Fragen auf, ob die Bretonen Halt vor Tilhold machen würden. Umbard war sofort bereit, Tilhold bis aufs Blut zu verteidigen. Tharon erklärte dem ungestümen Nordmann, den er kürzlich aufgenommen hatte, dass die derzeitige Lage ein Abwarten Tilholds, wohl aber vorbereitet und bewaffnet, unumgänglich war -auch weil Wulfus es so wünschte, im Interesse jener, die er selbst zurücklassen würde.
"Das kann sich aber ändern -je nach Sachlage hier", fügte Tharon noch hinzu.
Donar und Wulfus zogen sich etwas zurück, während Tharon und Umbard dann über das kommende Bankett sprachen. Misstrauen würde diese Feierlichkeit wohl bestimmen. Als Umbard hörte, dass keine Waffen zugelassen waren, war er noch verstimmter als zuvor schon.
"Aber prügeln kannst du dich doch, oder?"
"Ja", antwortete er lachend.
"Bretonensäbel kann man verbiegen, Hexerstäbe kann man zerbrechen."
Ob es so weit kommen würde?
Umbard ritt wieder nach Tilhold, als Wulfus und Donar zurück kamen, mit ihnen ein Anliegen, eine Bitte an die Sippe der Huginner. Tharon war einverstanden. Es musste so geschehen, es war der Wille der Götter. Es schien, als sei dieser Weg, bis hierher und immerfort, vorgezeichnet -ganz so wie es der Glaube beschrieb, so wie es immer war und immer sein würde.
Kein Abschied von Donar. Auch das passte sowohl zu dessen Art, als auch zu allem, was Tharon und Donar erlebten und was sie verband. Es gab keine großen Worte mehr, und der geschundene Krieger schlich beinahe davon, so kam es Tharon vor.
"Dann soll es so sein -verlass dich auf mich, auf uns. Für die besseren Tage, die wir in Midgard hatten. Die für immer verloren sind", sagte Tharon zu Wulfus. Denn das war der Abschied. Der Abschied von einem, der erst wie ein Feind, dann wie ein Freund, dann ein Anführer, schließlich Bauer und nun der einfache Krieger war.
"Das ist gut zu hören - und ich hoffe, Donar enttäuscht mich nicht. Alles andere wird seinen Lauf nehmen. Wir sind alt, aber stark. Es wird seine zeit dauern bis wir gefällt werden", sprach Wulfus.
Tharon nickte, sein Blick war entschlossen, aber gleichzeitig verklärt. Erst Wulfus Schlag gegen seine Schultern änderte das:
"Es wird Zeit an die Arbeit zu gehen - mögen dich die Götter schützen, und wenn wir uns nicht mehr sehen, dann in den alten Hallen."
"Spätestens dann sehen wir uns -und können uns Geschichten erzählen", antwortete Tharon, griff in seine Ledertasche und holte das alte Trinkhorn hervor, das er als Knabe hierher trug. Er gab es Wulfus.
"Es ist meines. Seit ich hierher kam. Wenn es soweit ist, trink daraus -auf bessere Zeiten", sagte er dann noch.
"Das werde ich tun...Ich danke dir - für dich habe ich nur etwas, was eigentlich schon lange zu dir gehört hätte."
Dann gab er ihm etwas. Tharon nahm es an.
"So, junger Mann....vergiss die Alten nicht und führe das Nordvolk in gute Zeiten!"
"In Freyas UND Thors Namen -das werde ich, alter Mann", sagte Tharon darauf respektvoll.
Nach dem Händedruck zog Wulfus davon, Tharon blickte ihm nach, bis er in seinen Reihen von den anderen nicht mehr zu unterscheiden war. So ging er also hin. Erwartet und doch unerwartet. Wieder schloss sich ein Kreis, kamen Dinge zu Ende und Neues entstand schon daraus.
Tharon erreichte Tilhold nach Mitternacht. Dann das Turmzimmer, der Gegenstand in seinen Händen. Die Gedanken an die besten Tage, den ersten Tagen in Midgard, in der Ostfold -wo alles so neu, und doch so vertraut schien. Bis auch dort der Krieg kam.
Wie sinnlos erschien dieses Bankett doch. Die Gedanken wiederholten sich. Seine Männer hatten begriffen. Und Wulfus Bitte war es ebenso, dass Tharon sich Solia annahm, so sie ihm nicht folgen würde oder sie nicht allein ihren Weg gehen wollte.
Doch all das nicht mehr heute. Alles fügte sich irgendwie.
"Dieser Umhang war am Anfang das Symbol des Anführers der Waräger, dann das der Norwingar...und nun - auch wenn die Vereinigung gebrochen ist, wird es bald wieder eine starke Allianz geben, und selbst wenn nicht, dann wird zu deinen Lebzeiten wohl kaum eine nordische Sippe größer und stärker als die Huginner werden. Also sollst du auch das Symbol besitzen - wenn schon nicht tragen - dann wenigstens in einer Kiste vor den Motten schützen."
"Ich werde ihn erst dann TRAGEN, wenn der Besitzer nicht mehr in dieser Welt ist", hatte Tharon geantwortet.
Die ganze Nacht lag der Umhang von Wulfus in seinen Händen.

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Beitrag von Tharon » 24 Nov 2007, 14:17

Vor vielen Jahren

Der kalte Winter hatte das Land umschlossen. Die Höfe lagen, wie die Felder, fast verborgen im Schnee. Die Tiere schwiegen, nur dann und wann musste sich wohl ein Bär gestört fühlen, wenn eifrige Jäger aus den Dörfern des Jütlands einzudringen versuchten.
Und irgendwo, auf einem der Höfe, lebte ein Mann mit zwei Söhnen. Doch der Mann war nicht nur Bauer, er war, wie sie alle, auch ein Krieger. Und dieser Krieger zog mit seinem älteren Sohn aus, in den Süden, ins Land Bretonia. Oft gab es Plünderfahrten dahin, wo die schwachen Bretonen lebten. Aber nun war es ein anderer Grund:
Ein junger Prinz, der Thronerbe, hatte sich würdig erwiesen, dass die Krieger aus dem Norden ihm halfen, seine Feinde im dort tobenden Bürgerkrieg zu besiegen.
So zogen die Nordmannen aus.
Und der jüngere Sohn blieb bei der Mutter -einer Frau aus dem Süden übrigens.

Heute

Tharon saß am Feuer. Die Befehle an Tjoenn hatte er selbst überbracht, später aber musste ein Bote die Neuigkeit dort verkünden -Tharon hatte keine Lust mehr, heute noch etwas zu tun.
Der Umhang von Wulfus war gut und sicher verstaut, einige Waräger machten sich nützlich, andere waren wohl noch unentschieden. Er ließ ihnen alle Zeit der Welt, obwohl es diese nicht mehr gab. Denn was wurde nun aus den Plänen? Abwarten.

Vor vielen Jahren

So kämpften die Nordmannen an des Prinzen Seite im Bürherkrieg gegen die Familie Torbrin. So kämpfte auch der Vater, gemeinsam mit dem älteren Sohn, an Hetman Rokils Seite.
Und der Prinz war siegreich. Den Nordmannen überließ er die Festung Nordstein.

Heute

Tharon stand auf, ging die Zinnen herauf, und betrachtete Nordstein. Er erinnerte sich an seine Ankunft in diesem Land und daran, wie die Huginner gegründet wurden, wie sie sich mit den Warägern vereinten und Hetman Rokil all seine Befugnisse nahmen -denn sie wollten von Nordstein aus die Nordlande, die Nordmark, für das Volk der Nordmannen gewinnen.
Wie oft gab es in dieser Zeit Gespräche mit König Lerhon? Wie oft verfluchten sie den Bretonenkönig? Unzählige Male geschah das. Dann das Attentat auf den König, das erste seiner Art. Dann das zweite. Tharon warf sich, mit dem Schild voraus dazwischen und fing den Pfeil ab -ein Pfeil, der von Nordmannen kam. Der drohende Krieg. Dann die Rückkehr nach Midgard, wie eine Rückkehr in die Vergangenheit.

Vor vielen Jahren

Der ältere Sohn verschollen, der Vater kehrte heim, gezeichnet vom Wahnsinn des Krieges. Und dann bat er den jüngeren Sohn, ihm den letzten Weg zu erleichtern.
So geschah es auch.
Die Mutter war am Fieber gestorben.

Heute

Krieg in Midgard -die Reise zurück. Die Reise ins Land des von den Nordmannen verdammten Bretonenkönigs. Der Kampf gegen die Blodhord, das Besetzen Tilholds, dann die jüngeren Ereignisse.
Tharon fluchte. Denn das änderte wieder alles -im Grundsatz, da gab es keinen Zweifel. Was hatte man nun von Dunkelwald zu erwarten und wie reagierten die Bretonen nun auf die Bedrohung aus dem Norden? Ganz zu schweigen von der Finsterschlucht, die wohl Auslöser der Ereignisse war.
Er fluchte nochmals.

Vor vielen Jahren

Der junge Bursche verließ das Land. Er ging nach Bretonia, um seinen Bruder zu finden. Und was er fand, das war Chaos. Sein Bruder gemordet, vom Geist des eigenen Vaters, ausgeschickt von Hel. Und es waren fast ausschließlich Bretonen, die ihm beistanden, als der junge Krieger den Geist in die Erlösung entsandte.

Heute

Die anderen in Tilhold sagten kaum ein Wort, als der Hetmann ebenso schweigend durch den Hof lief, die Burg ohne etwas zu sagen verließ und sein Pferd draußen sattelte. Wohin er ritt, war ihm selbst gleich. Nur fort von den Leuten, keine Fragen beantworten, die er sowieso kaum beantworten konnte.

Vor vielen Jahren

Mal ein harter Verhandlungspartner, dann ein Feind, dann Verbündeter, dann wieder Feind. Wohl kaum ein anderer veränderte seine Gunst in den Augen der Nordmannen und auch in Tharons Augen so oft wie Lerhon. Verweichlicht schien er heute, gestärkt wieder am anderen Tag. Und als sein Weib verschwand, da schwand auch die innere Kraft dieses Mannes, der einst als Prinz an der Seite der Nordmannen seinen Mut zeigte.

Heute

Sein Ritt endete als er den Turm der Landwehr erreichte, wo bereits das Banner auf Halbmast gesetzt wurde. Die Nordmärker dort, alles noch ehemalige Gefährten Tjalvas, sagten kein Wort, als Tharon sein Pferd grasen ließ und sich selbst zu den Kriegern der Landwehr gesellte. Es ging ihm darum, die Stimmung wahrzunehmen. Es ging darum, ihnen zu zeigen, nicht zu verzagen.
Es konnte ihm, dem Hetman aus Tilhold, gleich sein, was geschehen war. Das war es in einer Hinsicht auch. Aber in anderer Hinsicht fühlte er Zorn. Denn wieder einmal hatte sich das erwiesen, was Donar schon so oft gesagt hatte: Dass Bretonia ein Wespennest sei.
Nichts anderes war nun bewiesen. Hagen von Dunkelwald, Lehnsherr Peliads, bestätigte es: Dass es immer, egal was geschah, nur um Macht ging. Als der Krieger den Palast verließ, da sah Tharon in seinen Augen den Strategen und Taktiker, den gnadenlosen Diener einer Sicht Lebans, wie sie wohl nur wenige Bretonen hatten. Aslardill hatte es erkannt, ebenso die anwesenden Elfen mochten dies gesehen haben. Allmählich verließen die Lehnsherren den Palast, wie auch die meisten anderen Gäste. Die Abriegelung war aufgehoben.
"Was wird aus Eric werden?" fragte er Fhink.
"Er wird sterben."
Das war gerecht. Eric Janson, einst Waräger, nun Bretonianer und Mörder, musste gewusst haben, welches Ende sein Weg hatte. Ob es nun wirklich die Finsterschlucht war oder eine Intrige -spielte es eine Rolle? Nein.
Und dass es ein Nordmann war, der König Lerhon einen Dolch mitten ins Herz gestoßen hatte? Nein, nicht in diesem Fall. Aber Erleichterung spürte Tharon aus dem Grund noch lange nicht. Im Gegenteil wuchs der Zorn und das Unverständnis. Wie feige war es doch, einen Feind oder Verräter -wie Eric wohl sagen würde- zu erdolchen, mitten in seinem Heim.
Und dann der Sohn. Stolz schien der König, das erste Mal schien er wieder Kraft zu finden. Und dann wird der Vater dem Kind genommen.
Kopfschüttelnd verließ Tharon nun den Turm der Landwehr, ritt eine Weile umher, bis er die Brücke erreichte. Weit ab davon verließ er seinen Gaul und ging in den nahe gelegenen Wald, wo Tjoenn, umringt von einigen Huginnern, wartete.
"Lerhon. Er ist tot."

Vor vielen Jahren

Es war an der Brücke, der Krieg drohte, als Nordmannen mit Lerhon verhandelten.
Damals wünschte Tharon ihm den Tod.

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Beitrag von Tharon » 28 Nov 2007, 14:11

Vor mehreren Tagen

Tharon bekam eine Nachricht von Tjoenn. Die Bretonen nahmen sich nun drei Tage des Trauerns, um dem König die letzte Ehre zu erweisen. Erst danach würden sich die Angelegenheiten zwischen Warägern und Bretonischer Armee entscheiden. Auch Tharon akzeptierte diesen Weg, es blieb ja auch kein anderer. Von Ceres indes hörte er, dass dieser Bretoninus, Dunkelwalds Sohn, als Pfand bei den Warägern verblieb. Das sollte Hagen sicher erfreuen, bemerkte Tharon mit einem Schmunzeln.
An jenem Abend traf auch ein alter Mann namens Thaljor ein, ein Nordmann, wohl einer, der mit den Ahnen in direkter Verbindung stand. Es sollte ein humorvoller Abend werden, heiter und scheinbar ohne die Gegenwart der allgegenwärtigen Probleme des Nordens.

Vor kurzer Zeit

Wieder saßen sie am Feuer, wieder war Thaljor dort, einige andere wie Umbard oder Kandril.
Kjari und Taleth lieferten sich wieder eines ihrer Wortgefechte. Tharon fiel wohl auf, wie kühl die junge Nordfrau mit Dingen wie dem Tod und der Düsternis aus der Finsterschlucht umging -und es war kein Schein.
Zuvor wanderte ein Nordmann namens Skarfur noch in den Süden zur Brücke, um den Warägern beizustehen. Vorher hatte er noch große Töne gespuckt, allerlei Strategien hervorgebracht, die -und es mochte in diesen Tagen vielleicht der Wunsch vieler Nordmann sein- auf einen Krieg gegen Bretonia hinauslaufen mochten.
Sigandi berichtete knapp, dass alles bereit war, sollte wider Erwarten doch in der Trauerzeit etwas geschehen.
Und Kjari?
Sie war aufgebracht, sie glaubte, Tharon würde ihr nicht alles sagen. Und damit hatte sie Recht. Zumindest hab es Dinge, die nur Huginner erfahren durften. Sie gingen etwas abseits, und Tharon erklärte ihr den Plan.
"Danke...Danke für alles...Tharon", sprach sie, bevor sie in die Taverne ging.

Gestern

Mürrisch gab Tharon der bretonischen Wache seine Waffen, und kurz darauf betrat er wieder einmal jene Stadt, in der kürzlich erst der König durch Eric Jansons Hand gestorben war.
Briefe von der verdammten Schlucht hatte man gefunden, und Eric las sie. Aurelia und Fhink erwähnten den seltsamen Einbruch in die Akademie, bei dem nichts gestohlen wurde -aber einen Reim konnte sich wohl niemand darauf machen. Eric Janson machte keinen Reim, er ließ Taten sprechen und erdolchte Lerhon.
Tharon spürte keine Trauer, denn es war nicht sein König, der getötet wurde. Wohl aber dachte er daran, wie jener Erbe ohne Vater und Mutter aufwachsen musste, und das im Hort von Lug und Trug. Es war der einzige Punkt, in dem Tharon dem Lehnsherrn Peliads, Hagen von Dunkelwald, nicht widersprechen konnte. In allen anderen Dingen wäre es ihm eine Freude, diesen Bastard zu erlegen.
Jener war auch dort, am Richtplatz. Der Galgen war aufgebaut, Henker und Pfaffe standen neben Eric Janson, der fast die ganze Zeit in die Ferne schaute und vielleicht gar nicht wahrnehmen konnte, was geschah. Tharon war dort, um dem Nordmann, trotz allem, seine Ehre zu erweisen, und er verachtete all jene, die "TOD!" brüllten, denn was wussten sie schon? Ja, ihren König hatten sie verloren, doch scherten sie sich sonst um all die Dinge, um die sich Männer wie Fhink, Frauen wie Aurelia oder gar Nordmannen wie Tharon selbst oder Wulfus sich zu bemühen hatten? Wohl kaum.
Kindron, einer der seltsamen Kobolde aus dem Tiefenwald, war auch dort. Wie musste dieses Schauspiel nun auf ein Wesen wirken, das wohl keinerlei Vorstellung von den Dingen hatte, wie sie in der Welt der "Großen" passierten? Tharon hielt dessen Hand, genau wie Aslardill es tat. Und Tharon hielt ihn auch fest, als der kleine Kerl bemerkte, was vor sich ging.
Eric Janson schwieg, als Aurelia ihn erneut anklagte.
Doch dann kam etwas, womit Tharon nicht gerechnet hatte:
Die Briefe aus der Finsterschlucht waren eine Fälschung, mit Wolfsblut geschrieben. Und Eric Jansons letztes und einziges Wort, das er sagte, ließ Tharons Zorn ins Unermessliche steigen:
"Kjari!" rief Eric, bevor er starb und baumelte.
Und als allmählich Ruhe einkehrte, da fragte Aurelia nach jenem Namen, den Eric gerufen hatte. Sie sprach mit Tharon, sie forderte etwas. Er lehnte ab. Dann forderte sie etwas anderes, er stimmte zu. Ob er sich daran halten würde, wusste er nicht, doch ihr versicherte es Tharon, und so sprach er die Unwahrheit.

Kjaris Tod

Er hatte auf Fhink gewartet, am Nordtor. Vielleicht wollte er, der einst Kjaris Gefährte war, dabei sein, sich verabschieden. Dass er sogar fordern würde, ihr die Wahl zu lassen, wer sie tötet, überraschte ihn dann doch. Aber Tharon ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er ihr keine Wahl geben wollte. Denn sie hatte die Sippe entehrt und betrogen, gleich wieviel sie ebenso FÜR die Gemeinschaft getan hatte. Wer ein Wolf war, der konnte nicht zugleich ein Rabe sein.
Das sagte er ihr, als sie Kjari am Hinterausgang der Taverne einfingen. Gerade noch musste sie mit Myrkva geredet haben, die nicht verstand, was hier geschah.
"Kjari, warum du, warum du ein Wolf?" fragte er sie.
Ihre Antworten und ihre ganze Haltung waren die eines Menschen, der den Tod kommen sah.
"Danke...Danke für alles...Tharon."
Das waren ihre Worte, an die er sich erinnern musste.
Seine Enttäuschung und sein Zorn waren so groß, dass er beinahe Fhink und auch ihr den Abschied nicht gelassen hätte, den sie nun voneinander nahmen. Thaljor, der weise Mann, befragte die Götter. Und sie schienen Tharons Schwert zu wählen, um Kjaris Leben zu beenden.
"Ich habe alles für die Sippe getan", sagte sie. Und sie schloss die eben noch wässrigen Augen.
"Und ich tue dies aus den gleichen Gründen."
Dann schlug er Kjari den Kopf ab.
Kein Handel mit Aurelia.
Ehrenvolle Bestattung im Feuer, auf dem Meer. Das war es, was die Götter verlangten.
Tharon dachte an all die Begegnungen mit ihr, die nicht alle freundschaftlich waren. Und er erinnerte sich gut an das, was sie sagte, im Angesicht des Schwertes, als Tharon fragte, wer in ihr diesen Keim gelegt hatte.

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Beitrag von Tharon » 29 Nov 2007, 15:19

In der Nacht nach Kjaris Tod saßen die Huginner gemeinsam am großen Feuer und lauschten den Gesängen der Skalden. Myrkva stimmte leise ein eigenes Lied an. Doch all jene Lieder waren von Trauer bestimmt, aber sprachen auch von Opfern, die gebracht werden müssen. Tharon sang weder, noch sprach er ein Wort. Im Innern sprach er zu den Göttern und hoffte so, seinen Teil beizutragen, damit Kjari in der anderen Welt die Ruhe und den Frieden finden mochte, die ihr in dieser nie zuteil werden wollten.
Er erinnerte sich an all die Stunden und Tage, die er mit ihr im Streit verbracht hatte. Vieles davon war unnötig. Und er schob es stets auf ihren Dickkopf, dass es immer so weit kommen musste, dass er sie hassen wollte und ihr am liebsten den Hals umgedreht hätte. Doch, nun, in der Ruhe am Feuer, da war ihm klar, dass sicher auch er selbst seinen Teil dazu getan hatte, dass sie miteinander kaum einen Moment des Friedens hatten. Den Hals umdrehen wollte er ihr? Nun hatte er sie getötet.
Alles änderte sich, als sie verschwand und dann -einige Zeit später- verwundet und ohne Erinnerungen zurückkehrte. Nur langsam erinnerte sie sich. Und langsam stellte sich heraus, was für ein Leben sie einst geführt hatte, das sie zu dem machte, was sie heute war. Und kaum hatte sie sich geändert, endete ihr Leben.
Aber hatte sie das? Wenn wirklich jene Person für all das verantwortlich war, für ihre Heimlichtuerei, letzten Endes für ihre Entscheidung, war sie dann noch sie selbst?
Wie oft hatte Tharon versucht, sie zu verstehen? Wie oft hatte er nachgegeben? Und wieso? Weil er an sie glaubte. Weil etwas in ihm sagte, dass sie eines Tages zu Großem berufen sein sollte?
Ja, sie hatte versucht, Chiva zu befreien. Und tatsächlich schaffte sie es, die Nordmannen aus der Finsterschlucht zu retten, und keiner von ihnen, auch nicht sie selbst, schien verändert.
Wer die Finsterschlucht verlässt, ist nicht mehr der, der er einst war.
Er schüttelte den Kopf. Nein, es war ihre alleinige Entscheidung. Sie wehrte sich nicht, sie sprach kein Wort der Verteidigung, als Tharon sie richten wollte. Für Fhink hatte sie noch leise Worte, nahm seine Gesten an, nahm Abschied. Dann war es vorbei.
Was die anderen nun über ihn dachten, durfte ihn keinesfalls kümmern. Er tat es nicht aus Rache, sondern weil es nur diese eine Antwort geben durfte. Ja, die Wölfe schadeten Bretonia, nicht unbedingt den Nordlanden. Aber diesen ehrlosen feigen Weg wollte Tharon nicht dulden. Und aus seiner Sicht sollte kein Nordmann dies tun. Es konnte nur diese eine Antwort geben.
Am folgenden Tag zog er sich meist zurück, suchte nicht die Gesellschaft anderer und überließ die Sippe eher Tjoenn und den anderen erfahreneren Huginnern.
Dann, heute, erreichte ihn eine Botschaft, die ihn nur knurren ließ, ohne dass er etwas zu sagen hatte. Lasien. Der Elaya, welcher der Finsterschlucht diente, konnte es nicht lassen, Tharons Aufmerksamkeit einzufordern. Nur weil er ihn einst zu einem Gefangenen machte? Gleich welche Gründe er hatte, diesmal war er zu weit gegangen, denn ein Kind hatte er entführt!
So schrieb Tharon gleich zwei Botschaften:
Eine davon an Lasien selbst, die andere an die Wölfe...

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Beitrag von Tharon » 04 Dez 2007, 13:45

Eine Nachteule sah er, wie sie auf einem Zweig saß, als Nattfaris letzter Weg sein Ende fand, denn er und sein Sohn fuhren nun hinaus aufs Meer, ihre Seelen ins Reich der Götter. Und als Kjari fortging, da heulte ein Wolf.
So sehr dieses Ereignis Tharon auch schweigend beten ließ und innerlich beruhigen mochte, er konnte nicht lange Trauer empfinden, denn sie wich seinem Zorn:
Die 'Wölfe' hatten wieder getötet. Diesmal Nattfari und seinen Sohn. Anfangs hielt Tharon Nattfaris Alleingang für närrisch und falsch, aber es schien der Wille der Götter zu sein, dass dies geschehen musste. Eine mächtige "Klage" mochte es gewesen sein, meinte Myrkva, als Ceres und Tharon ihr erzählten, wie Nattfari zurückkehrte und sie in ein Lager der 'Wölfe' führte.
Zuerst kam es Tharon wie eine Falle vor, und auch Tjoenn, Umbard und Ceres dachten wohl so, angesichts ihrer gut erkennbaren Vorsicht. Nattfari war unbewaffnet, hielt oft inne und schien wie nicht von dieser Welt. Einerseits ging es doch um seinen Sohn, andererseits ließ er sich so unendlich viel Zeit, als er sie führte und sie dann auch noch bis zur Nacht warteten.
Die 'Wölfe' entdeckten sie sofort, ihre Augen waren auch oder gerade in der Nacht hervorragend. Ob es nun ihre Tiere waren oder sie selbst, sofort stürmten sie voran. Zehn oder mehr mochten es gewesen sein. Tharon wurde von einem der Vierbeiner angegriffen, während die anderen unangenehme Bekanntschaft mit den zweibeinigen Vertretern machten. Und doch waren sie siegreich, wateten beinahe mal wieder im Blut des Feindes, doch alles ging sehr schnell. Auf Nattfari achteten sie nicht, wohl weil er unbewaffnet war.
Einer blieb übrig, und es schien, als wolle er verhandeln -mal wieder. Tharon hatte kein Interesse mehr daran.
"Seinen Sohn! Gib ihn uns!"
Er gab ihn frei. Denn Alvar, Nattfaris Sohn, er war schon tot. Ermordet hatten sie ihn, in blutigen Tüchern und mit offenen Augen lag das Kind im Zelt. Und daneben, sie trauten ihren Augen nicht, lag der zerschundene Leib Nattfaris -tot.
Als Tharon und die anderen sich herumdrehten, da war jener Nattfari, der sie führte, der unbewaffnet und von keinem beachtet wurde, verschwunden. Als wäre er niemals da gewesen.
"Vielleicht ein Geist?" wunderte sich Umbard.
"Eine Klage", sagte Myrkva später. Eine Art von klagende Gestalt, die 'noch etwas tun muss'.
Das stimmte. Nattfari wollte, dass Tharon sein Amulett erhält. Tharon war dagegen, doch die Klage wusste nur zu gut, wie es kommen würde -war er doch schon gestorben.
Eine Nachteule saß auf dem Zelt, bis sie es in Brand steckten. Nattfaris Name beschrieb genau dieses Tier -und der Kreis hatte sich geschlossen. Sein Sohn gerettet, und bei den Göttern, wie er auch nun.
Ob es das gleiche Tier war, das Tharon später bei der Feuerbestattung sah? Auch ein Wolf heulte, als Kjari bestattet wurde.
Drei aus dem Volk der Nordmannen fanden in der selben Nacht den Weg zu den Göttern, als sie am Ufer des Flusses dem Feuer übergeben wurden.
In den letzten Tagen machte nichts mehr Eindruck auf Tharon als diese Erlebnisse. Obschon auch der kleine Kobold (man nannte diese Leute wohl Wichte) namens Kindron, aus dem Tiefenwald, seltsame Sachen erzählte. Er wusste eine Menge über Drakos und hielt es für einen Fehler, dass sie einst den Drachen töteten. Einen Wächter nannte er ihn. Und Kindron erzählte auch vom Bau des Ecaloskops -einer seines Volkes war damit betraut worden. Angesichts der überraschenden Weisheit dieser ulkigen kleinen Wesen schien es Tharon passend.
Aber auch diese Gedanken verflogen schnell, wenn er an den Wolf und die Eule dachte.

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