In den Winden der Welt - Tharon Radulfsson

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Tharon
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Beitrag von Tharon » 15 Sep 2008, 13:20

Am nächsten Morgen, so es Morgen war irgendwo über ihnen, wachten sie nach und nach auf. Tharon hatte nicht unbedingt gut geträumt, aber die Übernachtung in der Dvergenhalle war dennoch behaglicher als er dachte. Hier war es nicht so eng, die Luft weniger stickig. So wartete er, bis alle anderen aufwachten. Nach einer knappen Mahlzeit trafen sie sich alle wieder in der Mitte, bei Gahrok und Gorn.
Tharon hatte ein Messer in der Hand. Nun wollte er Gahrok prüfen, denn nach dem Debakel mit Demba war ihm nicht mehr klar, wer Freund und wer Feind war.
Gorn protestierte, doch Gahrok schien einverstanden. Die kleine Wunde in der Hand zeigte Blut -kein Schattenwesen. Doch Sigandi fiel zuerst auf, dass die Wunde schnell verheilte und kein Blut mehr zu sehen war. So fragten sie Gahrok, wer oder was er sei. Zuerst keine richtige Antwort, wie so oft. Schließlich bedeutete er Ashimar, sich umzudrehen. Gahrok spielte auf den Umhang der Drachenritter an. Der Anführer der Dverge, er war tatsächlich ein Drache. Tharon wusste nicht, ob er überrascht sein sollte oder nicht. Nun, wenn er auf ihrer Seite war, sollte er doch ein Drache sein! Es spielte letzten Endes hier unten kaum noch eine Rolle.
Sie sprachen erneut über den Seelenspiegel. Es war ein Artefakt, das geschaffen wurde, um die Erinnerungen und Gedanken aller Wesen zu ordnen. Und alle 2000 Jahre musste der Spiegel entladen werden, damit es nicht zum Bruch kommen würde. Das letzte Mal, vor 2000 Jahren also, geschah es nicht -und er brach. Das bedeutete eine schwerwiegende Katastrophe. Es hieß, ein Land oder Reich namens Varathessa sei daraufhin untergegangen. Wer entschied darüber? Kalgals, der Geist des Seelenspiegels? Und wollte nicht Grokon ebenso den Bruch verhindern? Ja, das wollte er, doch die Zestals kontrollierten ihn und auch die Steinhämmer. Im Namen der Mutter der Dunklen Alten wollten die Zestals den Bruch begünstigen. Aber wieso? Um alle Gedanken und Erinnerungen auszulöschen? Tharon indes fragte sich, was mit Gruschka geschehen würde, sollte sie gemeinsam mit den anderen zwei Spiegelsplittern durch den Spiegel gehen. Da es keine klare Antwort gab und wohl nur Kalgals eine haben würde, beschlossen alle, diese Entscheidung erstens Gruschka zu überlassen und zweitens zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu beraten. Tharon beschloss, sich selbst an Stelle Gruschkas anzubieten, aber er sagte es keinem.
"Konntest du mit dem König der Glaschtin verhandeln?" fragte er Gahrok, denn der dritte Splitter lag im Kern des Labyrinths, unter dem Gebiet, das von den seltsamen und gefährlichen Glaschtin kontrolliert wurde.
Doch Gahroks Bote kehrte nicht zurück.
"Dann gehen wir eben selbst."
Und auch wenn es mordsgefährlich war, alle anderen sahen es ebenso -was sollten sie auch sonst unternehmen, sie waren deshalb hier. Alle gingen mit. Aslardill aber blieb bei den Dvergen, um sich zu erholen, wie auch Alikir.Gorn führte die Gemeinschaft zu den Glaschtin. Bei sich hatte er eine Lore, mit Wegzoll beladen.
Doch als sie die Glaschtin erreichten, ließen sie nur Amdir passieren. Die anderen sollten 'fliegen', spotteten die Glaschtin und deuteten auf große Ketten, die von der Decke bis in den tiefen Schlund des Kerns lagen. All das nur zur Freude und Erheiterung der Glaschtin.
Tharon nahm den Wurfanker und zog so eine der Ketten herbei. Er seilte sich an, sicherte zudem noch mit dem Anker und einigen Metallringen. Dann nahm er Schwung. Er schaute nicht nach unten, wo die Lave ihre Hitze aufsteigen ließ. Sicher erreichte er das andere Ende, wo bereits Amdir wartete. Sulva kletterte eine Engstelle entlang, die über der Schlucht lag, und auch sie kam unbeschadet ans andere Ende. Titus kam mit der Kette rüber, Gruschka und Sigandi ebenso. Doch Ashimar schien plötzlich leicht wie eine Feder das andere Ende zu erreichen. Zauberei war es, denn es schien einen nicht sichtbaren sicheren Weg über die Tiefe zu geben. Man musste die Glaschtin wohl ab und zu wortwörtlich verstehen.
Als sie die Glaschtinwachen und deren Zöllner erreichten, wollten die Wesen noch mehr haben. Tharon und Titus luden noch etwas von ihrer Ausrüstung auf die Lore, dann durften sie passieren.
Die Schmiede der Glaschtin. Überall waren diese Wesen. Keines von ihnen hatte Freundlichkeit übrig. Stattdessen quälten und folterten sie Dverge, Zwerge und Steinhämmer gleichermaßen. Manche standen in Räumen, aus deren Boden heisser Dampf aufstieg, der die Opfer sofort bei lebendigem Leibe kochte. Andere wurden ausgepeitscht oder ertränkt.
Sie liefen vorbei an riesigen Hochöfen, Essen und Zahnrädern, bis sie in der Mitte das Zentrum der Schmiede erreichten. Feuer und Wasser trieben die gewaltigen mühlsteinähnlichen Gebilde an, die wohl alles hier lenkten und steuerten. Einer der Glaschtin sprach mit Gorn, und dann wurden sie zum König gebracht. Dieser sah ganz anders aus als die anderen Glaschtin, er war noch größer, trug schwere Rüstung in Onyx und Gold, und beinahe mochte man hinter dem Visier erkennen, dass es ein menschenähnliches Wesen war. Sicher sein konnte man nicht, und auf diese Fragen wollte der König der Glaschtin auch nicht antworten.
Als Gorn dem König sagte, sie seien zu Forschungszwecken auf dem Weg zum Kern, da war Tharon überrascht. Eine Lüge. War das der einzige Weg, die Glaschtin zu überzeugen?
"Ich habe auch ein Anliegen", sagte Tharon, und er verlangte die Freilassung der Gefangenen, der Dverge und Zwerge. Im Gegenzug wollte er den Glaschtin Alberik und Grokon anbieten.
"Was sollen wir mit ihnen, sie sind tot", knurrte der König.
Sulva und auch Fhink begannen ebenso mit dem König zu sprechen. Immerhin schien es nicht notwendig, Sklaven zu halten, wenn man selbst so mächtig war. Aber der König war weder bereit, zu verhandeln, noch schien er zu begreifen, was die Gemeinschaft ihm sagen wollte. So alt waren sie, dass sie einen Bruch ihrer Traditionen wohl nicht einsehen konnten -oder wollten.
"Wir sind hier wegen des Seelenspiegels", sagte Tharon dann. Gorn gefiel die Wahrheit hier wohl nicht, aber der König änderte plötzlich seine Meinung. Wenigstens die Zwerge gab er frei. Und er gewährte ihnen den Zugang zum Kern, um den dritten Splitter zu finden. Was der Spiegel war, das wollte er ihnen nicht sagen, und es war keine Antwort zu bekommen.
Immer wärmer wurde es, je näher sie sich dem Kern mit seinem Feuer und der Lava näherten. Irgendwann blieb Gorn stehen und gab jedem einen hitzewiderstehenden Sack in die Hand. Bis auf Sulva, sie wollte sich nicht den anderen zeigen und wartete, entkleideten sich alle und stopften die Ausrüstung in die Behältnisse. Tharon nahm die Axt in die Hand, welche dem Feuer widerstehen konnte, und sie bildeten eine Kette. Schlagartig wurde es kühler, obwohl um sie herum die Hitze lag. Sie konnten durch die Lava gehen wie durch einen Bachlauf, der durch die Sonne leicht erwärmt war. Unwirklich schien es, als sie durch die Tiefen der Welt liefen.
Am anderen Ende war keine Lava mehr. Sie nahmen wieder Kleidung und Rüstung auf, dann ging es weiter. Plötzlich, nachdem sie eine Leiter erklommen hatten, begegneten sie Sulva. Ein Portal war plötzlich erschienen, als sie sich an eine Wand lehnte. War es wieder der Zestal, der ihnen schon einmal geholfen hatte?
Sie erreichten eine Kammer. Dort war eine Art Altar, darauf stand eine Kiste aus einem Metall. Auf einem Tisch lag ein Buch. Tundil las die zwergischen Zeichen vor. Es handelte sich bei dem Verfasser um den Wächter des dritten Splitters. Wieder wurde Varathessa erwähnt, und ein Elaya namens Valverian. Er floh, anstatt den Bruch des Spiegels vor 2000 Jahren zu verhindern. Und nur Gruschka, aus dem Geschlecht Grokons, würde die Kiste öffnen können, um so den dritten Splitter zu bergen.
Wieder mussten sie beraten. Gab es Alternativen? War etwas zu bedenken?
Am Ende ja. Aber am Ende gab es dann doch keine andere Wahl, als dem Weg zu folgen:
Als Gruschka die Kiste berührte, hörte man einen Mechanismus. Sie war offen. Vorsichtig blickten sie hinein, aber da war nur Sand. Tharon griff hinein, berührte vorsichtig den Sand. Dann konnte er etwas greifen. Es war eine Kugel aus Glas, mit einem Licht darin. Er gab Titus die Kugel, dass er etwas durch seine Magie darüber erfahren mochte. Doch im letzten Moment traute Tharon seinen Augen nicht: Er riss Titus die Kugel aus den Händen und blickte erneut hinein. Da sah er sie. Chiva. Schon in der Mine hatte Grumpf sie erwähnt, nun sah er sie erneut. Er sah die Taverne, im Süden, wo sie einst, als er sie noch nicht lange kannte, in seinen Armen eingeschlafen war. Die schönste und beste Erinnerung. Ein anderer nahm die Kugel, und jeder sah etwas anderes. Aber so gut seine Erinnerung auch war, so schmerzvoll war sie gleichermaßen. Was die anderen sprachen, nahm er einen Moment lang kaum wahr, dann erhob er sich wieder. Sulva sagte ihm, dass es die Erinnerungen seien, die einen ausmachten. Sie hatte Recht, aber zugeben konnte er es nicht.
Dann ein Geräusch, und ein Licht. Etwas war unter der Kammer. Sie stiegen wieder hinab. Ein helles Licht war zu sehen, darin ein Gesicht. Was es sagte, ließ nur einen Schluss zu: Es wollte sie zur Spitze Samgards führen. So folgten sie der Erscheinung. Sie erreichten ein Gangsystem, in dem geisterhafte Gestalten waren: Zwerge und Nordmannen, so schien es. Sie erinnerten sich nicht an ihre Namen, und doch erkannten sie einige. Da war Nattfari, der einst durch die 'Wölfe' gestorben war. Er fragte nach seinem Sohn, und Tharon beruhigte ihn und sagte, es sei alles in Ordnung. Nattfari erkannte ihn nicht, aber schien dann zufrieden. Da war Kjari, die Tharon selbst gerichtet hatte, als sie mit den 'Wölfen' zusammen für Lerhons Tod verantwortlich war. Fhink fiel es schwer. Man sah die Tränen in seinen Augen, als er erneut Abschied von ihr nahm. Ob sie ihn erkannte? Einen Augenblick schien es so. Aber sie gingen weiter.
In einem mit Wasser angefüllten Raum trafen sie auf einen weiteren Geist -den sie auch kannten. Es war Trevon, der Verräter. Neben ihm war die balsamierte Leiche von Shedaux, dem Zwerg, der zusammen mit dem Elaya Ledharien Samgard gefertigt hatte. Trevon überließ Fhink die Spitze Samgards: Auf der Klinge sah man eine Rosenblüte geätzt, umgeben von einer Hecke. Eine güldene Hand schien von oben danach zu greifen, und darüber waren die Sterne. Als Fhink die Spitze anschnippste, da hörte man Gesang. Auf einmal waren sie umgeben von Nebel, man sah den Schwarm. Es war sein eigener Gesang. Tharon verstand nicht. Wo lag nun der Zusammenhang zwischen Samgard und dem Schwarm?
Als das Bild verschwand, sahen sie wieder Trevon. Er bat sie, die Leichen der Zwerge in den Leichenräumen der Steinhämmer zu verbrennen, damit nicht noch mehr Klagen entstanden -sein eigener Leichnam war gewiss auch dabei, was Trevon jedoch nicht als Grund anführte. Dass es anders war, schien jedem klar zu sein, aber dennoch versprachen sie Trevon, es zu tun.
Irgendwann erreichten sie wieder die Halle der Dverge. Aslardill ging es besser, und sie berichteten Gahrok, dass sie nun auch den dritten Splitter bergen konnten. Aber zu mehr kam es nicht.
"Sie kommen!" rief eine Stimme.
Zahllose Steinhämmer, wie auch Schattenwesen brachen durch. Sie griffen die Dverge an.
"Halt!" rief Tharon. Er hatte eine Täuschung vor. Nicht umsonst wollte er eine Kopie der Axt bei sich haben.
"Feoreg!" Das war einer der Runenmeister der Dverge.
"Wende die Glaschtinformel an und zerstöre die Axt! Sulva, zerstöre das Auge Kalgals!" rief Tharon. Das war der Name der Glaskugel. Sulva schien zu verstehen und sie nahm einen Beutel in die Hand. Feoreg schien erst nicht zu begreifen, aber Gorn ermutigte ihn. Das ganze war nur ein Trick, und Tharon war nicht klar, was sie erreichen würden.
"Ihr wollt verhandeln? Dann nur mit Alberik oder Grokon!" brüllte er.
Alberik offenbarte sich. Er stand auf der Brücke, die über dem Lager der Dverge war. Ein kleiner Gang führte dorthin, denn sie lag auf dem Hauptweg. "Beschütze Gruschka", sprach Tharon leise zu Fhink, dann machte er eine Kopfbewegung zu Sigandi und deutete auf die Brücke, wo auch die Schienen für die Loren lagen. Feoreg sprach irgendwelche Formeln, dass die falsche Axt in Flammen aufging und Sulva zerstörte den Inhalt des Beutels -von dem erst später klar war, dass es ihr Alchimistenwerkzeug war, als Alberik nicht auf die Täuschung einging.
"Angriff!" brüllte Alberik.
Die Schattenwesen und Steinhämmer fielen in die Halle ein. Eldorian, Fhink, Sulva und die anderen verteidigten die Halle, während Gorn, Sigandi und Tharon durch den kleinen Aufgang liefen. Sie erreichten die Brücke. Sie stand schon in Flammen. Sie löschten das Feuer und kämpften gegen die Steinhämmer. Mehr als einmal drohte einer das Gleichgewicht zu verlieren. Während unten der Kampf vor allem gegen die Magier der Schattenwesen tobte, waren es hier Guhle und Steinhämmer, die sich in den Weg stellten. Aber irgendwann konnten sie sich bis Alberik durchschlagen. Er kämpfte hart und listenreich, ganz wie erwartet. Einmal traf er Tharons Seite, aber dann drehte sich Tharon einmal herum, nahm so Schwung und zog ihm die Klinge durch den Leib. Der getötete Alberik fiel von den Schienen und schlug irgendwo in der Halle auf.
Als Sigandi, Gorn und Tharon die Dvergenhalle wieder erreichten, da war die Lage hoffnungslos. Immer mehr Feinde folgten nach, der Nachschub schien grenzenlos.
Sulva ließ ein Ritual folgen, und es schienen Bäume und Äste zu entstehen, die den Feind durch die Hallen fegten. Es reichte für den Rückzug, denn ein Sieg war nicht mehr in greifbarer Nähe. Gorn ließ Portale öffnen, und sie alle liefen schnell hindurch.
Jetzt, so Gorn, sei es an der Zeit, selbst anzugreifen, bis zum Existenzbewahrer Odorion vorzudringen. Er selbst blieb bei seinem König, der den Kampf, der sich immer mehr auf das ganze Labyrinth ausweitete, anführte.
Doch der Weg durch die Gänge des Feindes war nicht leicht. Schattenguhle versperrten den Weg. Hatte man aber einmal ihre Kampftaktik verstanden, so waren sie leichter zu besiegen. Die Schattenmagier indes waren die größere Schwierigkeit. Sie wirkten Eiszauber oder ließen Strahlen aus Feuer auf die Gemeinschaft schlagen. Fhinks Gesicht verbrannte zur Hälfte, Tharons Wunde in der Seite behinderte ihn sehr, obschon er einen der Magier mit dem Wurfbeil, einen anderen mit einem Blitz niederstrecken konnte. Ashimar und Titus wirkten erfolgreich ihre Magie, und auch Sulva konnte mit ihren schnellen geschickten Bewegungen den Feind ausschalten. Doch dann wurde der Weg erneut von zwei Magiern versperrt. Alle waren erschöpft, jede Bewegung verursachte Schmerzen. Während der eine schnell fiel, war der andere Magier zäher. Ashimar und Titus sprachen erneut Zauber, Sulva lief mit gezogenen Klingen auf den Magier zu. Tharon wollte ihn umwerfen, doch er verschätzte sich und rutschte ab auf ein Sims. Der Fels, auf dem er lag, war instabil. Das abstützende Holz, drohte zu brechen. Seine Augen waren nur halb geöffnet, er fühlte nur noch Schmerz. Sulva ließ ein Seil herab und band ihn fest, das merkte er. Sie wollten ihn hochziehen. Dann rutschte die Axt immer weiter zum Felsrand. Sie rutschte in die Tiefe. Tharon drehte sich mit letzter Kraft und konnte sie noch greifen. Dann brach der Fels weg und er hing über dem bodenlosen Abgrund. Wäre er nun gestorben, es wäre der falsche Moment gewesen.
Nicht jetzt, dachte er immer wieder.
Sie schafften es.
Er lag nun da. Sigandi nähte die Wunde. Ansonsten hatte er wohl nur Prellungen. Dennoch Schmerz am ganzen Leib. Nein, dieses Labyrinth würde er wohl nie vergessen.
"Wir müssen weiter", sagte Amdir.
"Ja..."
Am Ende eines Ganges waren wieder Schattenwesen, größer als die anderen. Zuerst sagten sie, dass sie die Gemeinschaft zu Odorion bringen würden. Doch, natürlich, es war eine Lüge. Bevor es aber zum Kampf kam, schnippste Fhink gegen die Spitze Samgards. Man merkte, dass die darin wohnende Magie schwächer wurde, aber sie war stark genug, diese Gegner zerspringen zu lassen wie Glas. "Wie mächtig", murmelte irgendjemand in der Runde. Tharon wusste nicht mehr, denn vor seinen Augen lag noch die Vision, welche sie hatten.
Odorion. Bei ihm waren Abbilder seines eigenen Leibes. Größer als alle anderen Schattenwesen war er. Aber sobald man ihn tötete, setzte er sich wieder zusammen und eines der Abbilder verschwand. Ashimar und Tharon hatten beide die Idee, die Abbilder stattdessen anzugreifen. So lief der Elaya an Odorion vorbei, als dieser wieder auf die Gruppe stürmte. Tharon lief schnell zwischen die Gegner.
"Zurück!" brüllte Ashimar. Und er setzte seine magische Energie frei. Ein Lichtblitz entstand für einen Moment in einer Art Kugel, dann zerplatzten die Abbilder. Ashimar sackte zusammen. Aber Odorion wurde schwächer. Sie konnten ihn schlagen. Und überall im Labyrinth geschah es, dass die Schattenwesen erstarrten und starben.
Zeit zu ruhen gab es keine mehr:
Mehrere Gerüstete erschienen. Es waren die Zestals. Und als sie sich endlich offenbarten, als sie ihre Namen nannten, da war es wie ein Schock, denn ihre Namen waren Smaragd, Saphir, Obsidian, Turmalin und Rubin. Einst dienten sie Ecaltan, aber nun der Mutter der Dunklen Alten. Einer von ihnen aber, Rubin, war jener Zestal, den sie als Erscheinung schon an der Quelle gesehen hatten. Er verriet seine gefallenen Gefährten und kämpfte gegen sie. Rubin öffnete ein Portal für die anderen, so dass sie entkommen konnten.
Lasien. Die Erhebung Lasiens zu einem dunklen Gott der Elaya war ihr Ziel. Dazu musste der Seelenspiegel brechen. Das war ihr Plan. Niemals durfte man es zulassen, doch nun war auch deutlich, dass Gruschka sich dafür entscheiden MUSSTE. Tharon war nicht wohl bei dem Gedanken.
Doch Bedenken mussten sie erneut verschieben, waren doch die kommenden Stunden so entscheidend wie die vergangenen. Die Schattenwesen waren gefallen, aber die Steinhämmer noch nicht. Es war an der Zeit, Grokon zu finden und die Gefangenen zu befreien. Irgendwann entdeckten sie Kisten mit Donnerkraut, und Sigandi, Gruschka und Tharon füllten ihre Vorräte damit auf.
Einige Zeit irrten sie durch das Gebiet, aber dann hörten sie die Stimmen zweier Arbeiter. Die beiden Steinhämmer waren so wirr im Kopf, dass sie sich leicht belügen ließen und der Gruppe sagten, wo die Sklavenhallen zu finden waren. Dverg für Dverg und Zwerg für Zwerg arbeiteten in der riesigen Halle, bewacht von Onyxwesen. Serpentinen führten die Felswände entlang in die Tiefe der Halle. Aslardill ging auf einen Felsvorsprung und sprach zu den Gefangenen. Er rief zu den Waffen. Der Aufstand begann. Die Steinhämmer schossen nun mit Ballisten, und viele stellten sich erneut der Gruppe in den Weg. So war der Weg die Serpentinen entlang beschwerlich. Doch mit vereinter Kraft erreichten sie beinahe die Halle selbst. Plötzlich sahen sie ein Fass, beladen mit Donnerkraut, in die Halle rollen. Die Explosion ließ Freund wie Feind in Fetzen fliegen, Geröll und Felsblöcke dazu. An der Nordwand brach ein riesiger Fels heraus und erschlug jeden unter sich. Als der Staub verflogen war setzten sie den Weg fort. Sie erschlugen die letzten Feinde, und auch die Onyxwesen existierten bald nicht mehr. Ja, sie waren siegreich.
Gorn führte die Gemeinschaft in die Leichenkammer. Der Skelettwächter davor, so hieß es, hatte ein Rätsel. Würde man es lösen, dürfe man passieren. Tharon hielt nicht viel davon, und so überließ er gern Ashimar diese Aufgabe. Der Elaya löste das Rätsel spielend, auch wenn Tharon die Lösung genau so wenig verstanden hatte wie die Aufgabe selbst. In der stinkenden Kammer lagen die verwesenden Leichen der Zwerge. Tharon nahm den Rest des Lampenöls und entzündete sie, nachdem Fhink und Titus die Leichen auf einen Haufen gelegt hatten.
Grokon. Hinter einem Wasserfall, der in die Tiefe führte, war eine riesige rote Kristallwand zu sehen. Eine Brücke führte unter dem Wasserfall her genau dorthin. Aber der Weg war versperrt mit Abbildern von Amdir, Eldorian und Tharon. Wie war das möglich? Schattenwesenabbilder, obwohl Odorion gefallen war? Die Abbilder griffen an, und Tharon vermied es, gegen sich selbst zu kämpfen. Es war für alle schwer, nicht ahnungslos einen Gefährten anzugreifen, doch wenn man genau auf alles achtete, sah man Unterschiede in der Art der Bewegungen. So fielen die Abbilder wie alle anderen Schattenwesen.
Als sie vor der Kristallwand standen, da erschien Rubin. Er erklärte, dass jeder Zestal eigene Schattenwesen erschaffen konnte. Sein Schattenwesen war Xarfles. Rubin wusste, dass Xarfles bei mehreren Angriffen gegen Tilhold und gegen Tepok dabei war. Er wusste, dass ein Verzeihen einigen unmöglich war -und doch hatte er geholfen. Ein Bündnis mit seinen Schattenwesen schloss Fhink nicht aus, aber eine Entscheidung darüber konnte nur bei der großen Versammlung getroffen werden.
Rubin erklärte weiter, dass Grokon, dessen Gesicht man im Kristall erkennen konnte, immer gegen die Taten der Steinhämmer war, aber im Namen der Mutter der Dunklen Alten hatten die Zestals auch ihn gezwungen. Rubin ließ Grokon in sterblicher Hülle erscheinen und erlöste ihn. Der Zwerg schien dankbar.
Nun brachte er sie zum Seelenspiegel.
Ein Summen war in den leeren Gängen zu vernehmen, von denen kaum zu sagen war, wie tief sie lagen. Sie sahen Erinnerungen auf dem Weg: Tundil und einen Vendu, Tharon und seinen Vater, Ishaseth und eine Frau und viele andere. Sogar Lerhon sahen sie, wie er sich über seinen Sohn Darius freute. Was daran war wirklich, was nicht? Diese Reise nahm eine seltsame Wendung.
Nun waren sie am Ziel: Der Spiegel schien wie eine Wand aus hellem Licht oder Energie. Tharon nahm die Axt zur Hand. "Kalgals!" rief er.
"Ja?" Eine Stimme.
"Was wird mit den Splittern geschehen, wenn sie durch den Spiegel gehen?"
"Sie werden weiter existieren", sagte die Stimme.
"Glaubt ihr ihm?" fragte Tharon leise.
"Nein. Zu einfach", sagte Fhink.
"Entweder ihm oder denen!" rief Gorn und drehte sich herum.
Hinter ihnen waren Steinhämmer, zahllose Bewaffnete, angeführt vom Zestal Smaragd.
"Gebt uns die Splitter!"
Während die anderen zum Schein mit ihnen sprachen, nahm Tharon Gruschkas Hand. Er sprach leise zu Sulva. Dann zu Ashimar. "Wir gehen durch."
Tharon ließ seinen Rucksack fallen, so dass spätestens jetzt alle verstanden.
"NEIN!" schie Smaragd, als alle Gefährten gemeinsam ins Ungewisse liefen, durch das Licht, durch den Spiegel.
Helligkeit. Freier Himmel. Eine Säule, und unten ein Meer, das kein Meer war.
Dann sahen sie überall, auf anderen Säulen, Kalgals. Er hatte die gleiche Gestalt wie das Wesen Grumpf aus der Zwergenmine. Und er erklärte, dass Grumpf und die seiner Art allesamt Abbilder von Kalgals seien. Es erklärte, wieso schon Grumpf ausgerechnet Chiva erwähnt hatte.
"Was geschieht nun?" fragte Fhink.
Kalgals war schon 4000 Jahre dort. Und nun wollte er, dass Gruschka, die noch ein Kind war, seine Aufgabe übernehmen sollte. Ansonsten würde das geschehen, was die Zestals erreichen wollten: Lasien.
Keiner wollte das. Aber auch keiner wollte Gruschka opfern, sie auf ungewisse Äonen hier einschließen in den Seelenspiegel, dass sie sich mit allen Erinnerungen dieser Welt zu quälen hatte. Gruschka war zornig und verzweifelt zugleich. Gab es denn keinen Weg? Kalgals zeigte ihnen die Vergangenheit. Man sah die Elaya, wie sie von Lasien geführt wurden. In den Reihen der Krieger sah man Ledharien, Amdir und gar Ceredir dol Glamor. Als Lasien, der ein strenger und wahnsinniger Anführer zu sein schien, einen Moment seine Krieger verließ, da erfuhren Tharon und die anderen das, was Amdir so lange für sich behalten hatte: Lasien. Er war Amdirs Vater!
"Wieso hast du uns das nicht gesagt?" fragte Tharon.
"Weil du mir nicht vertraut hättest", sprach Amdir leise.
Kein weiterer Wortwechsel.
Dann waren sie wieder an einem anderen Ort. Es war Gruschkahal, die Brutstätte aller Zwerge.
"Genug!"
"Ich will nicht mehr sehen!" rief Gruschka.
Kalgals holte alle zurück. Tharon empfand bei aller Last, die Kalgals zu tragen hatte, doch kein Mitleid. Denn wie sollte man Gruschka, die bis vor wenigen Tagen nichts davon wusste, damit nun beladen?
"Die Entscheidung liegt bei Gruschka!" rief Kalgals.
Tharon wusste nicht, was es war. Doch etwas in Kalgals wurde davon überzeugt, die Katastrophe, Lasien, nicht stattfinden zu lassen. So würde der Spiegel erneut brechen, aber Lasien tot bleiben. Die Reise war an ihrem Ende. Die Zwerge befreit. Die Schattenwesen vernichtet. Rubin jagte weiter die anderen Zestals, doch der Seelenspiegel brach ein weiteres Mal. So würde erst in 2000 Jahren erneut irgendjemand vor die Wahl gestellt werden, die Bürde zu übernehmen und ein altes Übel wieder in Ordnung zu bringen.
Waren sie ebenso feige wie der Elaya, der einst nicht durch den Spiegel ging? Oder war es nicht eher so, dass sie sich für Gruschka entschieden haben? In gewisser Weise für die Unschuld und das Leben?
Einer Sache war sich Tharon sicher:
Es war richtig. Selbst wenn nun doch Lasien zurückkehren würde. Auch das galt es dann zu überstehen. Der Krieg gegen die Dunklen Alten hatte gerade erst richtig begonnen. Und auch in der Dunkelheit, das war das einzige was er nun gelernt hatte, gab es Licht.
Sie erreichten Tilhold mit Kalgals Hilfe. Amdir sagte kein Wort mehr und verließ die Gruppe sofort. Tharon ließ ihnm ziehen. Er musste nun wohl allein sein.
Als sie in einem großen Badezuber bei Tilhold lagen, aßen und tranken, als sie irgendwann alle einschliefen, da träumte Tharon von den Erinnerungen, die er in der Glaskugel, dem Auge Kalgals, gesehen hatte. Vielleicht war diese Reise nur notwendig, um eines zu begreifen. Etwas, das Sulva ihm schon vorher sagte:
Es waren Erinnerungen, die einen formten.
Am nächsten Morgen erwachte er früh. Es war ein neuer Tag. Der Himmel war trüb, aber das machte gar nichts. Wenigstens sah man den Himmel wieder.
"Gruschka?"
"Ja?"
"Bevor du zu deinem Vater gehst, will ich dir etwas geben."
"Was denn?" fragte sie erfreut. Man sah ihre Erleichterung.
"Die Axt Grokons. Du bist aus seinem Blut. Also gehört sie dir."
Gruschka nahm die Axt dankbar an.
Dann brachte Tharon sie zur Mine der Zwerge.

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Beitrag von Tharon » 23 Okt 2008, 08:08

Tharon hatte einen ziemlichen Brummschädel. Das kam selten vor, aber scheinbar wurden Bier und Met anstatt besser immer schlechter. Woher sollte man wissen, was für eine Pampe sie zusammenmischten, jetzt, wo ihnen scheinbar viele Zutaten und Rohstoffe kriegsbedingt ausgingen. Aslardill hatte Recht, als er gestern, vor dem Zusammensacken, davon sprach, dass Vorräte gehortet werden mussten. Das war die Saat des Krieges. Und nun, da sie bald wieder im Herz des Winters liegen würden, waren Vorräte wichtiger denn je. "Mit Saufzeugs fängt es an, bei Brot endet es", sagte Tharon noch. Dann sprachen sie über das Kommende. Interessant würde es werden, und vielleicht auch recht blutig.
"Ich bringe ihn gleich zur Mine", sagte Tharon zu Hildgard, die nicht unbedingt begeistert darüber war, zwei stinkende Krieger in ihrem Schankraum liegen zu sehen, wenn sie gerade alles auf Vordermann bringen wollte.
Er humpelte die Stufen herunter, Aslardill im Schlepptau. Das Schnarchen des Clanherrn war lauter als der Gesang von hundert besoffenenen Kriegern. Tharon sattelte sein Pferd, ließ sich den Klotz von Zwerg hinauf reichen und brachte Aslardill sicher zur Mine. "Sagt ihm, dass er nicht schlafwandelt und ich ihn in Kürze besuchen komme."
Dann ritt er davon, irgendwo hin.
Er war Aslardill und seinen Leuten mehr als dankbar. Als Tharon einen der alten Runensteine im Norden erreichte, sein Pferd grasen ließ und sich selbst an den Stein lehnte, um über den Frühnebel und den Reif zu schauen, betrachtete er irgendwann die Metallhand. Das Ritual der Zwerge ermöglichte es, die Hand durch Runenmagie beweglich zu machen, um so statt des Stumpfes eine funktionierende linke Hand zu haben. Vor ein paar Tagen hatte er einen Stein einfach zerdrückt, ebenso einen dicken Tierknochen. Und am liebsten hätte er gestern Moena damit zerquetscht.
Das erste Mal, als sie mir nichts dir nichts in Tilhold aufkreuzte und es wagte, vom Verrat in Talethien zu sprechen. Immerhin war der Angriff gut geplant -zumindest so gut wie die Umstände und die Mittel es zugelassen hatten: Sinn sollte es sein, die Dunklen Alten zu Verhandlungen zu zwingen, indem man ihnen jemanden wegnahm, der ihnen diente und augenscheinlich nicht unwichtig war -Taleth. In Midgard war er es, der Janus das Siegel des Feuers geben wollte. Und er floh. Er floh auch, als er Titus entführte, wie man Tharon erzählte. Und Wochen zuvor geschah es auch in Iridai, als er aus einem geschlossenen Raum entkommen konnte. Also musste er noch eine Rolle spielen für den Feind. So sollten die Tirinaither Talethien hinhalten und täuschen, damit Svartalfen und Elaya die feindlichen Geschütze lahmlegen konnten und anschließend durch seltsame Zauberei eben jener Tirinaither die feindlichen Truppen in ein Trugbild Szithlins versetzt werden würden, um niedergemacht zu werden. Alle übrigen Gegner wären dann ein leichtes Spiel gewesen. Tharons Idee, die jeder angenommen hatte, sah vor, Taleth zu entführen. Doch nur wenigen, darunter Darius, ein Tirinaither namens Elvadus und ausgerechnet Moena wussten, dass Tharons Plan ebenso vorsah, den 'guten' Taleth an die Stelle seines finsteren Bruders zu setzen -als Spion in feindlichen Reihen.
Es begann schon, schief zu gehen, als plötzlich der ganze Hang, auf dem die Geschütze standen, in Flammen aufging und vermutlich keiner der Schleicher überlebte. Auf ein Trugbild, das den König zeigte, ging der Feind nicht einmal ein. In seinen trügerischen Händen hielt der scheinbare König ein Trugbild des Sonnenkreises. Dieses Artefakt, so sagte man es, sei in der Lage, die Bewegungen des Schwarms vorherzusagen, ebenso sei dieses Ding eine Art Karte: Es zeigte irgendwelche elementaren Linien auf dem Land. Dort, wo sie sich kreuzten, so hatte Tharon es zumindest begriffen, lagen elementare Knotenpunkte. Würde man dort diese Siegel einsetzen, könnte man -wie die Gelehrten es sagten- Materie kontrollieren. Das schien eines der Hauptziele der Dunklen Alten zu sein; diese Orte mitsamt der Siegel zu kontrollieren. So wurde es auf der großen Versammlung gesagt, bei der viele Völker anwesend waren, auch die Vertreter der Kyn und Ledharthien, Völker, welche bereits von den Dunklen Alten besiegt wurden. Durch Yi-Non erhielten sie also eine Beschreibung des Sonnenkreises, so dass die Tirinaither ein glaubwürdiges Trugbild herzaubern konnten.
Talethien war durch eine Palisade aus Holz geschützt. Als Brandpfeile kaum etwas ausrichteten, gaben die Zwerge den Schützen der Bretonen, Hun und Nordmannen kleine Portionen Donnerkraut. So gelang es, viele der Armbruster und große Teile der Palisade in alle Windrichtungen zu verteilen.
Dann der Sturmangriff. Aber Talethien war mehr als nur vorbereitet. Schon nach den ersten Angriffswellen, als sie ins Innere der Siedlung kamen, waren viele der eigenen Mannen gefallen, gleich ob es Nordmärker, Bretonen, Nordmannen, Zwerge oder Hun waren. Nur eine Gruppe des Feindes geriet ins Trugbild Szithlins. Caphalor, ein Drow, folgte ihnen mit seinen Männern, wie es geplant war. Nach einigen Augenblicken kamen sie zurück. Zu dem Zeitpunkt war erstens ein weiterer Teil der Verbündeten gefallen, zweitens standen sie Taleth gegenüber. Doch eine unsichtbare Wand verhinderte es, dass sie jemals wieder Talethien verlassen konnten. Dieser Zauber ging von einem Bretonen aus, der bei Taleth war. Die Schützen feuerten auf den Zaubernden, aber er war schneller. Caphalor und seine Männer taten nichts. Da dachte Tharon noch, dass Moena der Spion war.
Ashimar und Tharon kämpften gegen einen der sogenannten Mazzrarim, so dass sie nicht an Taleth heran kamen. "Schnappt ihn euch!" brüllte Tharon.
Titus und Fhink griffen nach Taleth, der durch ein Portal ging, das wie das Finstertor aussah. So verschwanden auch Titus und Fhink. Oshash, der Truppführer der Hun, folgte, wie auch die anderen nach und nach. Es gab nur diesen Weg, wenigstens Talethien zu verlassen und Taleth zu schnappen. Die Schlacht war verloren. Der Spion hatte ganze Arbeit geleistet. Als Tharon durch das Tor lief, war Tundil noch hinter ihm, ebenso Caphalor. Doch der Zwerg kam noch hinterher: Caphalor hatte ihn durch das Tor gestoßen, blieb selbst aber dort. Verrat.
Nun waren sie umgeben vom Feind. Immer mehr Wesen rückten nach, ob am Boden oder am dunkelroten Himmel. Sie waren nun in der Finsterschlucht, die Teil der Heimatwelt der Dunklen Alten war. Fhink hatte es erkannt, und Shenvienth, der Ledharthien, hatte es bestätigt auf der Versammlung wie auch der Kyn Maath und Yi-Non, der Gesandte aus Yarun, wo ds Siegel der Luft wartete.
Es waren Tausende.
Taleth war dort. Niemand hielt Titus noch auf, als er ihn mit seinem Schwert durchbohrte. Er sackte zusammen und lag reglos und blutend am Boden. Tharon war zu zornig, noch an den Plan zu denken. Es war ohnehin alles verloren. Was sollten sie jetzt noch tun? Die Heermeisterin wollte alle als Gefangene. Fhink sagte, er wolle nicht noch einmal Gefangener der Dunklen Alten werden. Einst war er in Janus Hand, der auch die Spitze Samgards an sich nahm und irgendwelchen Verbündeten in Bretonia hatte übergeben lassen. Es gelang, Fhink zu befreien. Nicht zuletzt durch die Hilfe Margas, einer sehr seltsamen Bretonenfrau und Zauberin. Sie hatte gegen ein Wesen gekämpft, das hinter dem Tor lag, welches versuchte, Fhink, Tundil und Tharon hinein zu ziehen. Seitdem schien sie kein Gefühl mehr zu verspüren. Als Tage später Tharon, Selene, Auluua, Aslardill und Marga zur Finsterklamm gingen, um Antworten auf Fragen zu erhalten, hatte sich Marga geopfert, um den Weg zur Klamm frei zu machen. Danach verschwand sie. Und dann, als sie zurückkehrte, da war sie schwanger. Sie erwartete ein Kind vom Sohn der Mutter der Dunklen Alten. Auf der großen Versammlung gab sie es preis, denn auch Maath, ein Seher, hatte es erkannt. Der Kyn war in der Lage, in den Augen eines Wesens dessen Schicksal zu lesen. So sah er auch, dass es zwei Spione gab. Einer davon sei Melanthas ungeborenes Kind, der andere blieb unbekannt. Tharon hielt kaum noch etwas von all diesen Weissagungen. War es nun nicht Zeit für klare Antworten? In der Klamm sagte ihnen der Geist des Mönchs Severinus, dass Fhink der Spion sei. Davon war Tharon nicht mehr sehr überzeugt. Es gab keinen Hinweis außer den Worten eines Geistes, der schon jahrelang in der Klamm verweilte. So würde er weder Fhink, noch Melantha oder ihrem Kind misstrauen. Und er wusste nicht warum, aber auch Marga traute er. Zumindest traute er diesem Weib mehr als anderen in seiner Nähe.
Jetzt, wo sie in der Finsterschlucht waren, mussten Sulva, der Kelte Fynn und Marga wohl schon auf der Suche sein. Sulva hatte es nicht ausgesprochen, wen sie auffsuchen wollte. Aber es musste jenen, die noch dort waren, als sie es andeutete, klar sein: Sie wollte Ecaltan finden, den Vater allen Übels wie sie selbst sagte. Ob sie schon dort waren?
Die Heermeisterin gab ihnen Zeit, sich zu beraten. Und zwar eigentlich, ob sie im Kampfe sterben oder Gefangene werden wollten. Was für eine Wahl!
"Hast du noch Donnerkraut?" fragte Tharon.
Aslardill hatte noch einen Beutel. In der Nähe war ein Baum. Unauffällig gingen sie, redend, näher heran, so dass Aslardill die Ladung anbringen und zünden konnte. Die Druckwelle gab ihnen Schwung und sie liefen, als der Baum in Flammen stand und auf die Heermeisterin stürzte, einfach nach Norden. Das war der richtige Weg, wie Selene sagte. Wie der Wind flohen sie, es war die einzige Möglichkeit. Unter rotem Himmel, verfolgt von zahllosen Wesen liefen sie mitten durch die Finsterschlucht. Fliegende Unholde, zweiköpfige Wölfe und andere namenlose Kreaturen stellten sich ihnen in den Weg. Dann erblickten sie auch noch den Schwarm. Es schien das Ende zu sein. Doch der Schwarm erhob sich und kämpfte gegen die Verfolger. Es verschaffte ihnen Zeit, so dass sie endlich die Klamm erreichten. Durch den Nebel eilten sie keuchend und atemlos hinauf. Sie konnten die Schlucht hinter sich lassen.
Im Tal Beltain, oberhalb der Klamm, aber noch nahe des Wachturmes, entzündeten sie ein Lagerfeuer. Die Beine waren schwer, aber müde war Tharon nicht. Als sie in den Sternenhimmel blickten und ein seltsames Licht sahen, schien es wie eine Bestätigung, dass Sulva, Marga und Fynn irgendetwas erreicht haben mussten. Sieben Strahlen gingen wie Sternschnuppen von diesem Licht aus, bevor alles davon verblasste. Fhink berichtete von seinem Sieg gegen Ymirs Sohn, so dass er das Himmelseisen erobern konnte, um Samgard neu zu schmieden -vorausgesetzt, sie würden es Janus wieder abjagen können. Samgard war notwendig, um an das Siegel der Luft in Yarun zu kommen, wie Yi-Non sagte. Und es war die einzige Waffe, welche die Mutter wie auch Ecaltan vernichten könnte.
Tharon stellte sich selbst viele Fragen: Wieso kämpften die Ecaltanim nicht? Und wenn die Dunklen Alten so mächtig waren, das ganze Völker ihnen folgten, warum schien dieser Krieg hier so lang zu werden? Das waren nur zwei der Fragen.
Reiter der Elaya und aus Edai erreichten die Klamm. Sie waren ihnen gefolgt, als der 'gute' Taleth ihnen berichtete, was in Talethien am Werke war. Zum Glück war er nicht innerhalb der Barriere. Sie konnten also auf Pferden heimkehren, und das war auch gut so. Es gab wohl keine Stelle ihrer Leiber, die nicht schmerzte oder verwundet worden war.
Das zweite Mal wollte er Moena zerquetschen, als sie ihn des Verrats bezichtigte. Ein Brief Larienas entlastete die Anführerin Szithlins, so dass in der Tat nur noch wenige in Frage kamen, der Verräter zu sein. Denn der Spion musste auch die Dunklen Alten von Sulvas Suche informiert haben, hieß es in dem Brief. Fynn hatte es wohl Lariena berichtet. Und nun warf Moena Tharon vor, er sei der Spion. Nun, er wusste selbst, dass er es nicht war. Sie hingegen wollte nun eine Art Verhandlung vor der Allianz anstrengen. Bitte, das sollte sie haben. Sie tat es, weil sie machtgierig war. Doch wo sie Tharons Macht sah, war ihm ein Rätsel. Er war kein Anführer mehr. Dass so viele auf sein Wort hörten, lag nicht in seiner Absicht. Und auf die Idee, dass man sich Vertrauen verdienen und nicht erschwindeln konnte, kam sie wohl nicht. Nun, er würde nicht unvorbereitet sein. Und auch nicht unbewaffnet.
"Trinken wir auf diese egoistische und dreckige Welt!" sagte Aslardill, als sie verschwand.
Und heute der unsagbare Brummschädel.

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Beitrag von Tharon » 26 Okt 2008, 13:37

Tharon und Shanesh saßen auf dem Karren, auf dessen Ladefläche ein großer Eisblick lag, und darin war Moena Glannath. Eine Eskorte aus Nordmannen und Hun begleitete die beiden. Auf halbem Weg schlugen die Nordmannen eine andere Richtung ein, und die Hun bekamen einen anderen Auftrag von Shanesh. Und entgegen aller Abmachungen am Blauen Turm schlugen auch Shanesh und Tharon eine andere Richtung ein. "Es gibt etwas zu bereden", sagte Tharon.
Und nachdem sie kurz sprachen, beendeten sie die weitere Existenz von Moena Glannath. Bis dahin war es ein weiter Weg, der zurückzulegen war, aber es lohnte sich. Und fortan gab es eine Svartalfenhexe weniger auf dieser Welt. Tharon war nicht froh, er hatte überhaupt keine besonderen Gefühle mehr, was das anging.
"Auf bald."
Shanesh nahm den Karren mit, Tharon begab sich wieder in den Norden. Dort ließ er sich von Sigandi untersuchen, denn der Zauberei Shenvienths traute er nicht, obschon sie ihn ins Leben holte. Mit der festen Absicht, Moena zu töten, war er in den Süden aufgebrochen, um zu hören, was sie gegen ihn und Elvadus vorzubringen hatte. Ihre Anklage schien durchdacht, doch Marga -wohl eine gute Beobachterin- stellte eigene Ansichten dar, die ebenso gut den Verrat in Talethien und den Verrat an Sulvas Reise begründeten. Sulva'Irn sprach über ihre Freundschaft zu Tharon, über verschiedene Ereignisse, welche die beiden miteinander teilen konnten. Sie gab dem Lethos ein Pergament aus dem Ecaloscop Davinicols. Es zeigte, wie die Mitglieder des Rates die letzten Tage, auch vor Talethien, verbracht hatten. Moena sah man nur teilweise, bei einigen gab es gar kein Bild. Das interessierte ihn nicht. Als man sah, was er getan hatte, zeigte sich, dass er keinen Kontakt zum Feind hatte und auch keinen suchte außer den bewaffneten.
Maath sollte jenen in die Augen sehen, welche sich zuvor verweigert hatten. Marzus von Brioless war unschuldig, wie jeder andere Bretone. Über Yi-Non erfuhren sie, dass sein Schicksal in Yarun sein Leben beenden würde. Der Yaruner nahm es gefasst auf. Tharon bewunderte seine Ruhe. Auch als er ihn beschuldigte, der Spion zu sein, blieb dieser seltsame Kerl gefasst. Der Spion sei ein Bretone, hieß es. Nun, er war keiner.
Moena. Maath sah, dass sie Triels Tod wollte. Und er sah, dass sie gleichermaßen mit der Allianz wie auch mit den Dunklen Alten im Bund stand, zum Vorteil ihres Volkes. Hier begannen die Unruhen:
Marga warf Zauber gegen Moena, Moena gegen Marga. Shenvienth warf einen Zauber dazwischen und so fort. Tharon wollte sie endlich töten. Als etwas Ruhe einkehrte und er sprechen durfte, da zog er seinen Zweihänder und wollte ihr die hässliche Fratze vom Rumpf schlagen. Aber blitzschnell kam sie näher, verkürzte so den Abstand, so dass er eine andere Bewegung einbringen musste. In dem Augenblick spürte Tharon einen stechenden Schmerz, der seinen Leibn durchbohrte. Er sah eine Klinge, die ihn von hinten traf, durch ihn durch ging und ebenso Moena aufspießte. Ihr machte es nichts, er sah seine Lebensgeister schwinden, sah in ihre Augen, und er hasste sie. Moena ging einige Schritte zurück, so dass er selbst nach hinten fiel. Der Schmerz hielt an, die Umgebung war kaum noch zu sehen. Er sah seinen Vater, wie seinen Bruder, und beide saßen an einer großen Tafel, an der viele Krieger saßen, und viele Gesichter kannte er unter den Unbekannten. Dann schüttelte er sich unwillkürlich, nahm wahr, wie um ihn herum Trubel entstand, wie Moena zum Lethos lief. Er sah die Klinge. Er erkannte die Waffe.
"Ephyre."
Heiler sah er. Er hörte Sulvas und Aslardills Stimmen. Dann blaues Licht.
Und seine Wunde verschwand. Shenvienth.
Wankend erhob er sich. Moena stand nun hinter dem Lethos, und hinter ihr war ein Steg, der auf das Wasser hinaus reichte. Sie warf den Lethos nach vorn und wollte Richtung Gewässer entkommen. Tharon warf erst einen Blitz, dann zog er sein Beil und rannte ihr nach. Der Schmerz war noch da, wenn auch dumpf und wie ein fernes Echo. Auch die anderen liefen ihr nach. Tepok stanpfte neben Tharon her. Kein Mittel konnte Moena lange genug aufhalten oder behindern. Und als sie das Wasser erreichte, da warf Elvadus seinen Stab aus purem Eis ins Wasser -es gefror.
Moena war vergangen, in einem Augenblick. Bald schon würde man ihre Boten töten, die bei den Mitgliedern dieses Rates verweilten. Es entstand eine Unterhaltung darüber, wer sie mitnehmen würde.
Am Ende gab es nur eine zwingende Möglichkeit, um Schlimmeres zu vermeiden.
Tharon erklärte auf dem Weg Shanesh die Lage. Als er das einzig sinnvolle Argument einbrachte, war der Anführer der Hun einverstanden.
"Und nun?" fragte Sigandi, nachdem er die Wunde untersuchte.
"Nun wird Tjoenn sicherlich schon die zwei Boten aus Szithlin getötet haben. Und ich gehe davon aus, dass die Svartalfen nicht unbedingt mehr Teil dieses Krieges sind, zumindest nicht auf unserer Seite."
Sigandi nickte zufrieden.
Tharon verließ Tilhold. Als er den einsamen Stein erreichte, sprach er sein übliches Gebet.
Dann schlief er lange und tief.

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Beitrag von Tharon » 28 Okt 2008, 18:33

"Wieso gibst du es mir?" fragte der alte Leif.
"Du bist weise, alt und verschwiegen. Und deine Knochen schmerzen, reiten kannst du nicht mehr. Du bist immer hier und kannst mich nicht betrügen", sagte Tharon schmunzelnd, als er dem alten Nordmann den Sonnenkreis gab.
Leif Andredson betrachtete dieses kleine Ding: Drei Scheiben aus Stein, darauf Symbole, die wohl himmlische Zeichen darstellten -etwas für Gelehrte. Sie waren von verschiedener Größe und lagen übereinander, das kleinste oben. Die drei Teile waren beweglich, man konnte sie drehen. Ansonsten gab es nichts zu sehen daran.
"Dann will ich auf deinen Sonnenkreis achtgeben. Willst du, dass ich etwas über diese Zeichen in Erfahrung bringe?" fragte Leif.
"Solange du dazu nicht mit hundert anderen reden musst und alles für dich behältst, bis ich zurück bin: ja."
Leif nickte.
Während Tharon ein paar Habseligkeiten zusammenpackte, fragte er sich, ob der Elaya Ledharien, den sie einst in Midgard retteten, etwas über die neuen Informationen wissen konnte. Nun, das würde sich noch zeigen. Bergelmir war der Anfang. Der Schamane der Blodhord hatte die Knochen gelesen und Fhink als Spion bezeichnet. Bei der Versammlung hatten sie dies im Ecaloscop gesehen; der Schamane hatte es sogar Fhink gesagt. Und die Runen von Ceres ließen zumindest die Frage offen, ob Fhink es war oder nicht. Dass er Tharon bereitwillig das Himmelseisen zur Weitergabe an Ledharien gab, konnte etwas bedeuten oder auch nicht. Alles war immer noch verborgen.
Es war gestern, als sie den Sonnenkreis bergen konnten. Als Tharon die Ausgrabungsstelle bei den Abteiruinen erreichte, begleiteten ihn Ceres, Tundil und der Elaya Elcirhac -falls er sich richtig an den Namen erinnerte. Vor Ort waren schon ein paar Zwerge, ein Schriftgelehrter der Hun, Ephyre, Yi-Non und Fhink. Als Ephyre ihre gestohlene Klinge bei Tharon sah, war sie aufgebracht. Er gab ihr die Klinge zurück, denn sie war nicht der Attentäter, der -unsichtbar- Tharon schwer verletzte. Und letzten Endes mit dafür Sorge trug, dass Moena unschädlich gemacht wurde. Bisher war es so, dass Tharon jedem getöteten Feind, gleich ob es durch seine oder eine andere Hand geschah, Ehre erwiesen hatte. Mit dem Tod des Gegners waren alle Feindschaften ausgelöscht und unwirksam für ihn, wie es wohl für viele Nordmannen war. Doch was Moena anging, war es anders. Weder sprach er ein Gebet für sie, noch empfand er Respekt für diesen Feind. Dazu war sie zu sehr Lüge, zu sehr Feigheit und Zwietracht. Sie lebte schon ehrlos, und ihr Ende war noch mehr als das. Und damit meinte er nicht ihr Ende im Moor, sondern das, was Shanesh und er selbst ihr danach noch antaten. Ob sie die Demütigung erleben konnte, die ihr nun zuteil werden sollte? Es war ihm gleich, solange diese Hexe nie wieder zurückkehren würde. Damals, als Bretonia Edai bedrohte, hatte er eine kurze Unterhaltung mit ihr. Das war der einzige Augenblick, wo er sich fragte, ob die Svartalfen tatsächlich einen neuen Weg suchten. Aber Moena und auch das, was nun mit ihr geschehen würde, waren der Gegenbeweis. Kein Gebet für sie, und ab jetzt auch keinen weiteren Gedanken mehr.
Es war ein Gedicht, in der alten Sprache der Hun, und ein Einfall Fhinks, die den Zugang nach unten ermöglichten. Auluua kam aus dem Schatten -offenbar hatte sie bis heute, wie es besprochen war, Fhink und Ephyre beobachtet.
Unter der Stätte war eine Art Höhle, von seltsamen Lichtern eingehüllt, stinkenden Dämpfen und Ratten. Im weiteren Verlauf waren sie gezwungen, mehrere Rätsel zu lösen, alles fragen, die ein Diener des Meeres sofort hätte beantworten können -denn dies war ein weiteres Archiv, das man "Die Abtei" nannte. Überall war der gleiche Nebel wie an der Finsterklamm, wie einst in "Der Nacht". Wohl war es auch ein Teil des Mathricodons, wo die Elemente zusammen existierten. Tharon empfand es immer noch als Wunder, dass er diese Sache noch verstand. Und er erinnerte sich daran, dass er unbedingt noch mit Sulva über ihre Reise reden sollte.
Am Ende ihres Weges fanden sie einen größeren Raum, in dem mehrere Ecaloscope waren. Seltsame Geister, der Nebel und auch der Schwarm waren zu sehen, aber nur der Hüter des Sonnenkreises sprach zu ihnen: Es war ein mechanischer Mensch, und wer wusste schon genau, wie er angetrieben wurde? Doch sein Meister war Hieronymusz Klammberg, der ihn vor Jahrhunderten hier allein ließ. Es schien, als habe dieses Wesen eigene Gedanken gefunden, ausgelöst durch eine Art Glaube, den es sich selbst gab: an Liras, Leban und Amur.
Bei den Göttern, was es alles gab!
Fhink sprach zuerst, im Namen Klammbergs, mit dem Hüter. Tharon machte ihn darauf aufmerksam, dass er der Spion sein könnte, wenn auch ohne Wissen. So war es schließlich Tharon, der den Sonnenkreis an sich nahm, und der Hüter verging. Tharon bedauerte es nicht, ob es nun ein Mensch war oder nicht, denn er oder es schien sein kommendes Schicksal sehr wohl anzunehmen.
Nach dem Abschied brachten Ephyre, Ceres, der Elaya und Tharon das Himmelseisen zu Ledharien. Vor der Festung der Elaya warf Ceres die Runen. Doch eine klare Deutung war nicht möglich. Nur eine Reise zur Blodhord, um mit Bergelmir zu reden, konnte vielleicht Klarheit bringen. Der Hüter sagte, der Spion trage bretonisches Blut in sich und sein Name sei Brioless. Zwei dieses Namens kannte Tharon, aber beide wurden durch diesen Maath entlastet -wenn man ihm trauen konnte. Bei Moena schien er wohl richtig zu liegen, hier auch? Wer hatte gelogen? Maath? Bergelmir? Der Geist Severinus? Der Hüter des Sonnenkreises? Zu viele Fragen.
Eine Reise war nötig!

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Beitrag von Tharon » 11 Nov 2008, 15:19

Yi-Non. Der Spion. Alles ergab einen Sinn: Wie Fhink sagte, lebten in Yarun schon lange Zeit Bretonen. Bretonisches Blut. Und dazu wohl Brioless. Wie konnten sie das übersehen? Als Tharon bei der Verhandlung gegen ihn selbst und Elvadus Yi-Nons Fähigkeiten andeutete, hatte er dennoch nicht daran geglaubt. Und doch hätte es am Ende nicht offensichtlicher sein können. Mehr als einen Leib hatte er -nun nur noch einen, und der war jetzt auf der Flucht. Wo er als nächstes zuschlagen mochte, das konnte man wohl nur ahnen. Jedenfalls sollte es eine Lehre und eine Bestätigung sein:
Traue keinem!
Sie erreichten das Inselreich durch ein magisches Tor, das wohl irgendwie mit dem Ecaloscop verbunden war. Wie genau es funktionierte, spielte für Tharon keine Rolle. Die Hauptsache war, das Siegel schnell zu bergen und dann augenblicklich wieder zu verschwinden. Was sie brauchten, war bei ihnen: Samgard. Der Elf Ledharien konnte es mit Aslardills und Tundils Hilfe neu schmieden. Wie die Klinge im Licht glänzte und wie sich elfische und zwergische Schriftzeichen zeigten, wie der Lethos und Sulva je einen Segen sprachen, es beeindruckte ihn. Sie alle hatten gehört, wozu Samgard in der Lage war. Eine wichtigere Waffe für den Sieg, ob sie nun irgendwann verhandeln würden oder nicht, schien es kaum zu geben. Tharon und Sulva hatten einen Plan, wie sie es erreichen konnten, dem Feind gegenüber zu stehen -und kein anderer durfte ihn erfahren, denn sie würden es nicht verstehen. Sie würden zornig werden. Da waren sie sich einig.
Der Dschungel Yaruns. Fremdartige Tiere, seltsame Geräusche und diese ekelhafte Hitze. Letztere erschwerte den Weg. Doch schon nach wenigen Augenblicken begegneten sie einer Truppe Krieger, die man die 'Schnellen Fäuste des östlichen Berges' nannte. Ihre Anführerin war eine Frau namens Shen-Ta -wie sie erst später erfuhren, war sie Yi-Nons Schwester. 'Yi-Non wird in Yarun sterben. Durch Fleisch und Blut.' Das waren die Worte Maaths, und es war die Wahrheit: Die Fäuste griffen an, und sie tötete ihren Bruder, bevor sie selbst wie auch ihre Begleiter fielen.
Nun waren sie ohne Ortskundigen. Von einem alten Mann, einem Bretonen auf der Flucht, erfuhren sie, dass die Fäuste sich gegen den Fürsten, Yi-Han (Yi-Nons Vater), stellten. In zwei Siedlungen hatten sie gefangene Bretonen. Ein Wesen namens Diath galt es zu finden, um zu erfahren, wo man den Tempel der Erde finden mochte und was genau zu tun war. Dank Oshashs und Sulvas Fähigkeiten, konnten sie beide Dörfer erkunden, bevor es zum Angriff kam. Im ersten Dorf half ihnen Donnerkraut, im zweiten wohl mehr Glück als Verstand: Hundeartige Zweibeiner, Yaruner, riesige Skorpione, Harpyien und ein seltsam verwachsenes und missgestaltetes Ungeheuer stellten sich ihnen in den Weg.
Doch sie konnten die Bretonen befreien. Sogar ein Diener des Meeres, der scheinbar nichts von den Untrieben seiner Brüder im fernen Bretonia ahnte, war dabei. Er war einer aus der Familie Klammberg, und er konnte sie zu Diath führen.
Und tatsächlich, es war ein Kyn, oder der Geist eines Kyn, wie Maath. Schon lange waren sie in Yarun. Ein Wesen namens Shang-Ti, sagte er, könne sie zum östlichen Berg bringen. Im Palast Yi-Hans müsse die Klinge in einen Stein gestoßen werden, damit sie später das Tor zum Tempel öffnen könne. Shang-Ti war wahrlich mächtig und riesig: Die Schuppen dieses zweiköpfigen Drachen schienen wie aus weissem Silber zu sein. Er trug sie alle bis zum Palast und gab Sulva eine seiner Schuppen, für Eldorian. Wie sie da oben durch die Wolkendecke flogen, wirkte Yarun unglaublich groß, trotz der Höhe. Es waren sieben Inseln, die eine Art Atoll bildeten. Tharon blickte nur kurz nach unten, ansonsten war er still und nachdenklich. Die Gedanken an den Spion, und an die Andeutungen, dass es Fhink sein könnte, ließen ihn nicht los.
Dann kam die Überraschung:
Die Diener der Dunklen Alten waren schon im Palast. Und der stand in Flammen. Doch die Yaruner und ihr Fürst waren keine Gefangenen; sie dienten ihnen bereits. Schon die ganze Zeit. Es schien, als habe Yi-Han seinen Sohn geopfert, um den Schein zu wahren. Tharon erinnerte sich an seinen eigenen Vater, an Radulf. Wie er -was immer noch schwer vorstellbar, aber die Wahrheit war- als wahnsinnige geplagte Seele aus dem Bürgerkrieg der Bretonen heimkam, wie Tharon selbst ihn tötete auf dessen Wunsch hin. Wie entbehrungsreich und erbärmlich sein Leben dann wurde. Und wie der Geist seines Vates als Diener Hels zurückkehrte und seinen älteren Bruder tötete. Er spürte also nur Verachtung für diesen schwachen feigen Fürsten. So ließ er es zu, dass Aslardill diesem Mann ein Ende setzte, nachdem er ihnen den Weg zum Pilgerpfad, der zum Tempel führte, erklärt hatte. Dass es Sulva nicht gefiel, verstand er. Sie führte ein neues Leben, sie hatte eine eigene, eine andere Mission -und dazu gehörte es nicht, Menschen zu richten. Und dennoch konnte und wollte Tharon den Zwerg nicht aufhalten. Er sah nichts, was Yi-Hans Leben wertvoll machte.
Drei Stunden liefen sie über den Pfad, der durch die Hitze des Dschungels führte, scharf anstieg und an einem Tal, das an einer der Küsten lag, endete. Dort lag er, der Tempel, den manche auch den Tempel des Erbauers nannten. Zwei Statuen, beide gleich, standen davor. Sie zeigten wohl Liranus von Breton, den Urahn der Bretonen, wie man sie heute kannte.
Eine riesige Schlange, die man die Wächterin der Erkenntnis nannte, versperrte den Weg zum Tor. Sie interessierte sich sehr für Sulvas Ansichten. Tharon schien es, als sei dieses Wesen, das von sich sagte, es habe einst die Menschen verführt Böses zu tun, daran interessiert, Erösung zu finden durch Vergebung. Die gab den Weg frei und deutete auf das Tor. In dem Bildnis darauf waren zwei Statuen zu sehen, die in der Mitte leicht ein Schwert halten konnten, denn es war eine Einfassung dafür vorhanden -Samgard passte.
An den Wänden im Inneren des Tempels waren Gemälde zu sehen. Tharon erkannte sich selbst, und auch die anderen. Es waren Dinge aus der Vergangenheit. Wie war das möglich? Der Erbauer, er stand in der Mitte des Raumes bei einem Ecaloscop, sagte, er sei einer der ersten der Kyn. Er gab ihnen das Siegel der Luft und sprach von dem Spion. Und er kannte ihn. Doch ihm zu lauschen oder über die Gemälde nachzudenken, dafür blieb keine Zeit mehr:
Der Spion. Durch das Ecaloscop hörte man Ishaseth und Davinicol. Der Spion war bei ihnen! Im gleichen Moment griff der zweite Leib des Spions Fhink an -es war Yi-Non. Er war waffenlos, doch streckte er Fhink beinahe nieder. Sulva und Titus versuchten seine inneren Wunden zu finden, sein Atem ging stets schwächer. Dennoch wehrte er sich gegen Yi-Nons Griffe. Sulva schlug dem Verräter einen Arm ab, Aslardills Hammer brachte Yi-Non dazu, in Tharons Richtung sich zu bewegen. Er hielt sein Schwert hoch und durchbohrte ihn -wie Yi-Non es zuvor am Blauen Turm getan hatte, als er unsichtbar war. Der Yaruner starb augenblicklich. Nur noch ein Körper.
"Er ist entkommen", hörte man Ishaseth rufen.
Tharon schnellte auf Samgard zu und schlug die Klinge auf den Boden. Als Fhink es mit der Spitze im Labyrinth getan hatte, geschah auch etwas. Er wusste nicht was er da tat, aber es war eine Möglichkeit -zu verlieren gab es gerade kaum etwas.
Der Gesang des Schwarms war zu hören.
Fhink überlebte.
Selbst verwundert, ließ er Samgard fallen. Sulva half Fhink auf die Beine zu kommen.
"Weg hier."
Davinicol hatte schon vor der Reise davon gesprochen, dass der Weg nicht sicher sei. Das war er auch nicht:
Eis und Schnee. Leichen. Einfache Hütten aus Holz. Ein schwaches Feuer. Das war nicht Midgard.
Am Feuer stand ein Mann in einfacher Winterkleidung. Der Bretone war sehr schwach und auf beiden Augen geblendet worden. Es war Taleth! Er schien sich zu fürchten, doch auch Wut war in seiner Stimme, als er Tharon und die anderen erkannte. Und was er sagte, ergab zuerst keinen Sinn. Er sagte, Marga sei nun bei den Dunklen Alten und sie habe Melantha ermordet. Bretonia sei wie viele andere Orte auch unter Eis begraben, viele waren gestorben, andere durch die Dunklen Alten versklavt.
Sie waren in der Zukunft. Jemand habe nach ihrer Rückkehr den Sonnenkreis benutzt, und dann kam augeblicklich dieser unnatürliche Winter.
"Fimbulvetr."
Tharon dachte daran, dass der lange Winter Ragnarök vorbereiten würde. In zwei Monaten würde es geschehen, wenn niemand es verhindern könnte. Er dachte an seinen und Sulvas Plan, aber er war sich sicher, dass es die richtige Idee war. Dennoch, sie würden reden müssen, auch mit Davinicol.
Der Wicht holte sie zurück.
Das Siegel war geborgen, der Spion entlarvt -doch immer noch auf freiem Fuß- und die mögliche Zukunft schien alles zu sein außer erfreulich. Wenn dies das Ende sein würde, dann musste er es akzeptieren. Doch wenn es einen Weg gab, das Schicksal zu verändern, würde er es tun.
Nicht mehr viele Worte gönnten sei einander, und es wirkte so, als müsse jeder selbst sehen, wie er mit diesem Wissen umgehen mochte in den kommenden Tagen. "Wir müssen uns treffen", sagte Tharon nur noch den Teilnehmern der Reise. Dann suchte er sich ein Nachtlager in der Nähe des Blauen Turms.
Am nächsten Morgen brach er früh auf in den Norden. An der Ostwacht machte er Halt, als er Selene erkannte. Ein Bretone namens Toran war dabei. Der junge Bursche suchte einen Ausbilder. Er wollte von Tharon ausgebildet werden und in den Krieg ziehen. Warum er zustimmte, wusste er selbst nicht genau. Vielleicht war es eine Möglichkeit, wenigstens einen dazu zu bringen, sein Leben retten zu können, falls die Dunklen Alten wieder zuschlagen würden. Vielleicht war es Ablenkung. Oder gar nichts davon. Ein zweiter Bretone namens Nathaniel kam des Weges. Ihn hatte Tharon schon an der Taverne Tilholds gesehen. Ein Pirat. Frech, aber wenigstens kein Waschweib. Was dieser Kerl von seinen Reisen und dem Schiff, der Lirban, sagte, hatte wenig Hand und Fuß, und Tharon glaubte nur die Hälfte von dem Wenigen, was Nathaniel preisgab. Bald würde er wohl die Möglichkeit bekommen, sich dieses Schiff und seine Mannschaft näher anzusehen.
Torans Ausbildung begann schon einen Tag später. Ausdauer hatte er, ja. Flink und aufmerksam war er auch, obwohl Ceres und Kjathun ihn beschimpften und beleidigten, während Sigandi und Tharon gleichzeitig gegen ihn kämpften. Aber er war zögerlich darin, sein Schwert zu benutzen. Er wollte niemanden verletzen. Tharon versuchte ihm zu verdeutlichen, dass er im Krieg durch sein Zögern sterben würde, denn der Feind zögerte niemals. Nun, es würde sich zeigen, was davon er behielt und umsetzen würde. Sigandi brachte ihn später zum westlichen Lager, wo er Bekanntschaft mit Bassi und den anderen machen würde. Tharon war gespannt. Etwas hatte sein Interesse geweckt. Vielleicht war es die Ähnlichkeit in ihrem Leben, was die Eltern betraf. Oder er schätzte jeden Bretonen, der sich nicht gleich in die Hose machte und bereit war, für seine Heimat zu kämpfen. Nun, man würde sehen.
Ein anderer trat noch auf den Plan. Es war der Svartalf, der Tharon und den Khagan schon einmal belästigte. Als er im Lager der Hun auftauchte, wollte er Moenas Überreste haben und ihr Hab und Gut. Letzteres bekam er gegen ein paar Bedingungen, ersteres nicht. Sie sagten ihm, dass sie Moena verbrannt hatten. Heute kam er wieder und er musste wohl erfahren haben, dass ihr Leib nicht verbrannt war -zumindest nicht durch Shanesh oder Tharon. So sagte ihm Tharon, dass verhüllte Kerle, einer davon hinkte, sie mitnahmen in Richtung Norden.
Das war die Wahrheit.
Finden würde er sie nie.
Als Tharon zu später Stunde sein einsames Nachtlager in den Bergen aufsuchte, sprach er wie immer sein Gebet und lehnte sich an den Stein. Irgendwann schlief er ein und träumte Belangloses.
In der Welt jenseits der Träume waren die Winde kalt und die Nächte lang.

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Beitrag von Tharon » 19 Nov 2008, 14:47

Die Reaktionen der Allianzmitglieder stellten ihn zufrieden. Es war wichtig, sich die Worte von Falkenschwinge und auch Cyrian anzuhören, nicht nur weil jeder Verbündete in diesen Tagen Gold wert war. Das, was Cyrian berichtete, schien erstens Hand und Fuß zu haben, zweitens hoffte Tharon auf einen besseren Informationsweg, würde die Allianz bei einem Treffen den Bretonen und dessen 'Gruppe' aufnehmen. Zwar war er sich bewusst, dass man ihm nur von Worten ausgehend nicht trauen konnte, doch sollte man nicht beinahe alles versuchen, wenn man dafür wenigstens die Chance auf einen Sieg erhöhte? Schlimmer konnte es ohnehin nicht kommen:
Würden sie etwas falsch machen oder den Fehler nicht verhindern, so würde etwas kommen, das der Fimbulwinter war oder mindestens so verheerend in seinen Auswirkungen sein würde. Wieder dachte er an den Plan, den er nur zusammen mit Sulva verfolgte, wieder fragte er sich, ob genau das den Winter verursachen würde. Und dass ausgerechnet dieser Valverian nun hier war, um den Winter zu erforschen, machte die Sache nur noch eigenartiger. Je mehr Worte dieser Elf sprach, umso weniger glaubte Tharon auch nur eines davon. Er sprach, so verstand es Tharon, in Bildern. Und er glaubte wohl nicht daran, dass jemand ihn hier, im Norden, wirklich verstehen konnte. Von einem Feind sprach er, von Spiegelbildern. Tharon dachte wohl nicht umsonst an den Seelenspiegel, immer dann wenn Valverian ihm begegnete. Immerhin war es genau dieser Elaya, welcher einst die Ursache für die jüngeren Ereignisse im Labyrinth wurde. Und immerhin waren insbesondere die Zwerge nicht allzu gut auf ihn zu sprechen. Mehr und mehr kam Tharon zu dem Schluss, dass Valverian eine Gefahr für den Norden darstellte. Wer auch immer sich für diesen Wirrkopf interessierte, der wurde zur Bedrohung für die Allianz, die mit den Dunklen Alten schon mehr als genug Feinde zu bekriegen hatte.
Der andere mögliche Verbündete war der Kapitän der 'Lirban'. Man nannte ihn Falkenschwinge. Vor einigen Tagen brachte man Tharon, dem die Augen verbunden wurden, auf das Schiff, weil er es sehen wollte. Als man ihm die Augenbinde abnahm und er das Schiff erblickte, da staunte er nicht schlecht. Was er sah, war mehr, als er je erwartet hätte. So verlangte er, den Kapitän sofort sprechen zu dürfen. Das geschah auch. Überrascht war er nicht, als Falkenschwinge sich vorstellte. Und so ergaben die Grabmale auch einen Sinn, die er um sich herum sehen konnte. Sofort kam Tharon eine Idee. Es war eine gute Möglichkeit. Würde die 'Lirban' jene Wehrlosen aus den Bretonenlanden, dem Norden und den anderen Landen aufnehmen, müsste sie sich dennoch nicht in den Krieg einmischen, und von Bretonia selbst hatte so eine Art Shiff nichts zu berfürchten. Der Kapitän zeigte ihm die Räumlichkeiten, wo er die Heimatlosen und Schwachen aufnehmen würde. Beide waren einverstanden, doch Tharon musste -mit nicht wenig an Überraschung- hören, dass ausgerechnet Amdir bereits mit Falkenschwinge verhandelt hatte, und zwar genau darüber. Wieso ausgerechnet Amdir und wo er nun war, wusste ihm niemand zu sagen.
Nach seiner Rückkehr schrieb er Briefe an die Mitglieder der Allianz und bekam schnell besagte Reaktionen zu lesen, die ihn zufrieden machten.
In den Tagen davor und danach beschäftigte er sich mit der Ausbildung Torans. Wie ihm Bassi und die anderen berichteten, schlug der junge Bretone sich tapfer, doch schien er lieber praktische als andere Übungen zu machen. Das war nur allzu verständlich, doch Tharon versuchte immer wieder, ihm zu zeigen, wie sehr die eigene Geschichte und überhaupt Erzählungen einen Krieger ebenso formten wie jeder Übungskampf, sei es der waffenlose Kampf (den Toran aufgab) oder der Überfall auf ein Räuberlager (den Toran erfolgreich anführte). Toran wollte in den Krieg gegen die Dunklen Alten ziehen, um seine Heimat zu schützen, und er schien auch bereit zu sein, dafür zu sterben. Das einzige, was ihm aus Tharons Sicht fehlte, war die Ernsthaftigkeit und Konsequenz, dieses Ziel mit allen Mitteln zu verfolgen. In diesen Zeiten konnte alles und jeder zum Feind werden -eine Lektion die jeder irgendwann lernen würde. So bemerkte der junge Bretone vielleicht nicht, dass jedes Wort, jede Handlung und jedes Gespräch, das sie führten, eine Prüfung war. Tharon achtete auf jeden Satz, jedes Wort und wie Toran sprach. Wie er sich bewegte und was er dachte. Unerschütterlich musste einer sein, der diesen Krieg überleben wollte -etwas, das auch Titus gelernt hatte und womit er noch nicht am Ende war.
"Da bist du also", sagte Nath, wie Tharon ihn nennen sollte, eines abends, als er Tharon fand, wie er auf einer Anhöhe saß und die Station und ihre Umgebung betrachtete.
"Die Aussicht ist gut."
Nath hingegen konnte da nicht zustimmen und schwärmte von Samariq und Midgard.
"Es ist überall gleich", sagte Tharon.
Das war natürlich nicht so. Aber der ehemalige Hetman spürte, wie die Zeit ihm davon eilte. Würde er jemals wieder Midgard in Frieden sehen, bevor sich die Weissagungen über seinen Tod durch Ymirs Hand erfüllten?
Er hatte Zweifel daran.

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Beitrag von Tharon » 01 Dez 2008, 19:56

Irgendwo am Fontis Silvan, umgeben von den riesigen Bäumen des Tiefenwaldes, lag die Heimat der Wichte. Man konnte sie ohne weiteres nicht erreichen, so dass Tharon und Sulva viele Umwege liefen, die ihnen der kleine Bär lieferte. Irgendwann hatten sie die Orientierung völlig verloren, aber das Lager der Wichte dank des Bären gefunden. Der Sohn von Vater Bär sei er, wie er sagte. Ja, er konnte sprechen. Tharon wunderte sich über nichts mehr, was diese Waldwesen betraf, und Sulva schien den Vater des Jungbären zu kennen, das genügte ihm. Einen Tiegel Honig nahm er sich als Belohnung, dann wartete er, bis die beiden mit Davinicol gesprochen hatten.
Der Wicht schien immer noch etwas verwirrt und wenig begeistert, dass sein Ecaloscop zerstört wurde. Zwar hielt Tharon immer noch wenig von diesen ganzen magischen Dingen, aber dieses Ding hatte ihnen stets gute, wenn auch manchmal höchst unzuverlässige Dienste geleistet. Warum auch immer es geschah:
Der Schwarm musste wohl einen Grund haben.
Es geschah bei der letzten Versammlung. Dort stimmten sie über die Inquisition, vertreten durch den Bretonen Cyrian, und über die 'Lirban' ab, vertreten durch ihren Kapitän namens Falkenschwinge. Das Piratenschiff, welches Tharon nun schon zweimal besuchte, barg eine Menge Geheimnisse und seltsamer Dinge in sich. Zum einen die Falkendukaten, zum anderen die nicht uninteressanten Dinge, die es damit zu erstehen gab. Tharon hatte es sich nicht nehmen lassen, etwas davon zu kaufen. Nette Sache. Das andere Geheimnis, oder ein weiteres in einer langen Liste, waren der ungewöhnliche Name, wie auch der Lethos bei der Versammlung feststellte, sowie das sehr hohe Alter dieses riesigen Schiffes. Doch über beides dachte Tharon nicht weiter nach, als die Hilfe der 'Lirban', die Flüchtigen aufzunehmen, angenommen wurde.
Die Inquisition offenbarte ihr Wissen. Der Schwarm bewegte sich tatsächlich entlang der Elementarlinien. Das und vieles andere würden sie nun dem Königshaus in Vertretung der Allianz zur Verfügung stellen. Tharon hielt nicht viel von der Inquisition selbst, sprachen sie doch ihre Gebete an die gleichen Götter wie die Bretonen. Doch ihre Hilfe, ihr Wissen und dieser Cyrian schienen ihm eine ausgezeichnete Hilfe in diesem Krieg.
Dann kam der Schwarm. Die ganze Zeit hatte ein Kater die Versammelten beobachtet. Plötzlich verwandelte er sich, und der Schwarm war mitten in der Gemeinschaft. Seltsame Dinge sprach er, und eines davon galt Tharon und Aslardill: Fimbul. Also war es wahr. Und immer noch hatten sie keine Ahnung, wie es geschehen würde. Die Zeit rannte schneller als sie denken konnten oder gar handelten. Der Schwarm stürzte sich in das Ecaloscop, und nichts als Staub blieb davon übrig.
Davinicol hatte einige Ideen, was den Sonnenkreis betraf. Tharon hatte Mühe ihm zu folgen, als er die Bilder erwähnte, die man in den Sternen angeblich sehen konnte. Der Nordmann kannte die Sterne nur als Wegweiser auf hoher See, aber scheinbar gab es noch mehr, das sie vermochten. So betrachteten sie die Symbole und alles andere, was man erkennen und verwenden konnte. Der Plan, den sie hatten, nahm Gestalt an, als sie Maße bestimmten und Tharon dann einen kleinen, aber sehr wichtigen Gegenstand an sich nahm, um ihn Aslardill zu zeigen. Dann galt es nur noch, mit Zea zu reden, um den einen zu finden, den sie brauchten, um den Sonnenkreis fertig zu stellen.
Keinem sonst berichteten sie davon.
In Tilhold gab es Neuankömmlinge, die von Tharon und Sigandi, mit tatkräftiger Unterstützung Torans, ein wenig erzogen werden mussten. An jenem Tag wusste Tharon noch nicht, dass bald ein weiterer 'Gast' dort sein würde, jedoch eher ein Gefangener -und zwar in den Mauern der Burg selbst:
Zarath. Gemeinsam mit Ceres und Cyrian brach Tharon auf, um dem Vampir das Handwerk zu legen. Abgesehen davon, dass dieses Wesen durch und durch bösartig war, gab es noch einen weiteren Grund: Das Buch Moenas. Zarath war der Verfasser des Machwerks, wie sie an der Nebelküste erfuhren. Cyrian hatte ihnen besonderes Wasser gegeben, mit dem sie ihre Waffen benetzen konnten. Der Vampir war recht wehrhaft, doch nach einigen Treffern sank er zu Boden, und als Cyrian die Phiole auf dessen Brust leerte, entstanden seltsame Dämpfe, die sie wie Nebel einhüllten. Welche Ungeheuerlichkeit trat nun wieder auf den Plan? Hatte es nicht gereicht, dass sie, als sie an Zaraths Höhle waren, wieder diesem Dunkelelfen begegneten, der wieder frech wurde und Gefallen gegen gar nichts forderte? Den Bau des Vampirs hatten sie angezündet, nachdem ihnen klar wurde, dass er geflohen sein musste und sie darin zwei tote Svartalfen fanden. Jemand war dort, es war dieser Dhuunyl. Aus den Flammen kam er gesprungen und wollte das Pergament haben, welches sie im Gewölbe fanden. Weil es eine Karte zur Nebelküste war, gab Tharon es nicht heraus und täuschte das Spitzohr, als er ein falsches Pergament den Flammen übergab.
Sulva und Wulfus kamen des Weges. Doch Dhuunyl wollte nur allein mit Wulfus 'verhandeln', obwohl dieser ihm eine Frist gesetzt hatte, die abgelaufen war. Es ging um Pyturs Rüstung, dem Hab und Gut seines Sohnes, der einst von den Svartalfen ermordet wurde. Wortlos gab Tharon die Karte an Wulfus, damit er wusste, wohin Tharon nun gehen musste. Sulva blieb eine Weile an jenem Ort, während Cyrian, Ceres und Tharon zur Küste ritten.
Der Nebel, der Zarath einhüllte, verschwand. Was sich ihnen nun zeigte, war eine kleine Überraschung. Ein Mensch, ein Bretone, vielleicht 60 Jahre alt. Er konnte sich kaum an seine Zeit als Blutfürst erinnern, doch dies hielt Tharon nicht davon ab, ihn dennoch töten zu wollen. Cyrian gelang es, ihn davon abzubringen -doch nur, weil er lebend wohl nützlicher war als tot. Immerhin hatte er doch recht brauchbare Informationen, die er ihnen bereitwillig gab. Nun sollte er in der Tilholdburg einsitzen, bewacht bei Tag und bei Nacht -so geschah es.
Moena. Diese alte Hexe war immer noch Teil fast jeder Unterhaltung in diesen Tagen. Und die Informationen von Cornelius, was sie, das Buch und letztlich auch Dhuunyl betraf, war nicht gerade begeisternd. Nachdem Tharon den alten Mann in die Burg gebracht hatte, mitsamt einer Nachricht an Tjoenn, schrieb er drei Briefe. Zwei gingen an Iridai, einer -in welchem noch etwas mehr stand- an die Insel der Elaya, an Sulva. Er hoffte, dass sie, Eldorian und wohl Ashimar etwas damit anfangen konnten. Das, was die Dunkelelfen planten, durfte sich nicht erfüllen. Nun, und wenn doch, dann hatten sie durchaus eine Möglichkeit, der Hexe das Unleben zu versauen. Und zwar richtig.
Schließlich verließ er die Burg und ritt zu dem einen Stein, der ihm so viel bedeutete. Er dankte den Göttern für Wulfus Rückkehr, doch bat er ebenso darum, dem Nordmann den Frieden zu geben, welchen er durch die Rüstung seines Sohnes erreichen würde. Seine eigene hatte jeden Glanz verloren, und vielleicht auch sein Inneres, zum Teil. Vor einigen Tagen waren sie sich endlich wieder begegnet. Doch Wulfus schien wieder einen eigenen Weg gehen zu wollen. Tharon akzeptierte. So kam es, dass er ihm nicht das zeigte, was ein weiteres Geheimnis der 'Lirban' war:
Das Schwert Odomars, ihm zur Vernichtung des Geistes der Gegenwart übergeben. Der Geist des Nordmannes Jirnost, einst Geisterbeschwörer der Huginner und Mentor Myrkvas, war dort. Er erinnerte an Tharons Aufgabe, die nun wohl nur noch seine war. In Midgard.
Tharon rammte die aufblitzende Klinge, die ein eiskalt leuchtender Zweihänder war, einhändig in den Boden.
Dann kniete er davor.

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Beitrag von Tharon » 11 Dez 2008, 15:44

Der Nebel schien wie aus Eiskristallen zu sein. Zwar hatte sich der Sturm gelegt, und auch der Eisregen war vorerst verschwunden, doch im alten Schutzturm Bredorfs, besonders oben auf den Zinnen, war es dennoch sehr kalt. Tharon liebte dieses Wetter. Doch da ihm bewusst war, dass dies alles vielleicht schon Vorboten des Fimbulwinters waren, hielt sich die Freude arg in Grenzen. Zuvor hatte er bereits im Norden diese Wolken gesehen, die wie der Hauch des Frostvaters sich auf das Land gelegt hatten. Im Norden war ihm vor einigen Tagen bereits aufgefallen, wie eine kleine Spinne, sie schien selbst aus Eis zu sein, eine der Eiswolken verließ, als wäre sie eine Art Torweg. Wieder ein Zeichen. Wenn er nicht bald die Sonnenscheibe Yi-Nons in den Händen halten würde, wäre die Zeit wohl abgelaufen, denn nur noch ein Monat trennte sie von der Erfüllung dessen, was sie nach der Yarunreise gesehen hatten.
Als er genauer hinsah, erkannte er in einer der Wolken eine Gestalt, einen Vierbeiner. Tharon verließ seinen Posten und lief hinter den Turm. Für einen Moment glaubte er einen riesigen zweiköpfigen Wolf, dessen Fell weiss wie der Schnee war, zu sehen. Doch dann war da nichts mehr. Er schüttelte den Kopf. Allmählich spielten sich in diesem Dorf wirklich die eigenartigsten Dinge ab:
Am Abend zuvor saß er im 'Einsamen Wanderer'. Nachdem Tundil die Taverne verlassen hatte, wie auch Hauptmann Alan, waren nur noch er selbst, Cyrian, eine Bretonin namens Gwen und ein Mann namens Derios, ebenfalls Bretone, anwesend. Plötzlich bewegten sich die Flammen des Kaminfeuers nicht mehr. Eine kleine Maus stand wie erstarrt mitten im Raum und auch die Schankmaid Arla, wie auch Artim selbst, rührten sich nicht mehr. Tharon traute seinen Augen nicht, als der Schwarm erschien.
Er gab Weissagungen von sich, die wohl mit den Morden zu tun hatten, von denen Cyrian gesprochen hatte. Jemand hatte den Opfern Organe entnommen. Vor einigen Tagen war er deshalb gemeinsam mit Tjoenn und Cyrian zum alten Friedhof im Westen der Nordlande aufgebrochen. Sie untersuchten das Grab eines gewissen Anthimus von Seran, doch es war leer. Abgesehen davon, dass ein Nordmann sich ohnehin nicht unbedingt gut, sicher oder ehrenhaft fühlte, wenn er auf Grabstätten sich wie ein Plünderer benahm, war dies -wie Cyrian erklärte- mehr als nur beunruhigt. Es schien, als wolle der Feind, die Dunklen Alten, diesen Seran, einst ein Adliger der alten bretonischen Kronkriege, erwecken -und zwar mit Hilfe der Organe der ermordeten Bretonen. Sie alle hatten eine Gemeinsamkeit: zwei zusätzliche Finger. Und auch Seran, so Cyrian, nannte insgesamt zwölf Finger sein Eigen. Tharon erinnerte sich in diesem Augenblick an die Berichte der ersten Versammlung, wo man von diesen 'Hybriden' sprach: Kinder von Menschen und den Dunklen Alten. Welch Lokiwerk ging dieser Tage nur um?
Immer noch bewegte sich nichts und niemand in der Taverne, als der Schwarm sprach: "Einer wird gehen in das Haus, das niemand verlässt. Er wird wecken den, der es verlassen kann." Cyrians Fragen beantwortete der Schwarm in Rätseln. Cyrian werde ihn noch dreimal sehen, bevor es geschehen würde und noch einmal, wenn es bereits geschehen sein würde. Dann verschwand diese eigenartige Kreatur, und das Leben um sie herum nahm weiter seinen Lauf.
Das war der Zeitpunkt, an dem Cyrian und Tharon beschlossen, den alten Schutzturm im Dorf für ein paar Tage zu beziehen, um die Ereignisse, insbesondere in der Nacht, zu beobachten. Die Hybriden mussten einen gemeinsamen Treffpunkt haben. Und schon in der ersten Nacht verfolgten sie einen Fremden, der das Dorf nach Osten hin verließ. Er war zu Fuß unterwegs. Der Eisregen erschwerte die Sicht, aber dennoch waren sie in der Lage, ihn bis zum Finstertor zu verfolgen -von dem immer noch nicht klar war, wie man es nutzte und wohin es einen bringen würde. Da verschwand er. Sie warteten noch eine Weile. Tharon beschloss dann, zuück ins Dorf zu gehen, um dort mit dem Büttel zu reden, während Cyrian an Ort und Stelle ein Versteck suchte.
So lief der Nordmann eilig durch das eisige Unwetter über den Dorfplatz ins Bürgerhaus. Er nickte dem Vogt nur knapp zu.
"Ich muss mit deinem Büttel reden, Vogt von Bredorf. Mein Name ist Tharon Radulfson, und, ja, es ist wichtig."
Der Büttel kannte den Burschen, als Tharon ihm von der sonderbaren Verfolgung berichtete. Der besagte Mann sei ein einfacher Stallknecht, der wohl regelmäßig Ausflüge ins östliche Breland unternahm und dann einige Tage nicht mehr gesehen werde. Mehr aber wussten sie nicht über diesen Kerl. Ob er einer der 'Hybriden' war?
Auf dem Dorfplatz traf er Auluua und den Kelten Aidan. Auluua schien gekränkt zu sein, wie man sie an der Grenze Midtjords behandelt hatte -Tharon war nicht dabei, doch hatte er von dem Zwischenfall wohl gehört. Dennoch schien sie ihn ebenso verantwortlich zu machen. Nun, die Sache mit dieser Zauberkiste, die Musik machen konnte, war vielleicht unnötig gewesen, aber letzten Endes interessierte sich Tharon im Augenblick mehr dafür, ob sie alle den Winter und den Krieg überleben mochten als dafür, ob irgendjemand persönliche Fehden auszutragen hatte. Bald gab es nichts mehr zu streiten.
Plötzlich kamen Titus und die hochschwangere Melantha des Weges. Titus hatte einen Brief in der Taverne abzugeben, und Melantha wollte ihn begleiten. Gemeinsam gingen sie in die Taverne. Das Kaminfeuer war sehr angenehm, und Tharon bestellte für alle ein passendes Getränk -denn Melantha durfte ohnehin (ob schwanger oder nicht) als Hun keinen Alkohol trinken und Tawil, der stumme Sohn des Khagan, trank ebenso Tee.
Gerade als Tharon beschlossen hatte, nach einem Krug Met wieder seinen Posten im Turm zu beziehen, nahmen doch recht unerwartete Ereignisse ihren Lauf: Denn wer hätte gedacht, dass Melantha ausgerechnet HIER und HEUTE ihre Zwillinge zur Welt bringen würde?
Den Göttern sei Dank fand Aidan draußen im Dorf, wo das Unwetter noch stärker wurde, einen Heiler. Es war ein Hun, der Melantha in Erwartung dieser Komplikationen von der Insel der Elya hierher gefolgt war. Der Heiler fackelte nicht lange und nahm Tharons Dienste in Anspruch. Zuerst musste er die Beine Melanthas halten, die auf das Kommando des Huns stets presste, mal stark, mal vorsichtiger. Tharon hatte keine Ahnung, was er da tat. Und schlimmer noch: Schon die Geburt von Myrkvas Tochter machte Probleme, doch das hier war noch schlimmer. Nun sollte Tharon das erste Kind heraus ziehen, denn es musste schnell gehen, und der Heiler hatte seine Hände beinahe schon am zweiten Kind. Es gab wohl Anzeichen, dass Melantha die Geburt nicht überleben würde oder eines der Kinder nicht.
Plötzlich hatte Tharon einen schreienden Jungen in seinen Händen. Schnell gab er es der Schankmaid Arla. Der Heiler schaffte es, das zweite Kind zu holen, aber Melanthas Blutungen wurden immer stärker. Aidans Umhang, viele Tücher und Tharons Hände versuchten nun, dem Schwall an Blut Herr zu werden.
Und die Kinder atmeten nicht mehr.
Wie Titus, der Vater, war auch Tharon nunmehr hilflos. Der Heiler leitete die anderen an, da er selbst nun, wie er sagte, zu nähen habe.
Die Tür öffnete sich. Cyrian trat herein, und sein Blick war so, als habe er diese Ereignisse erwartet. Cyrian und Arla beatmeten eines der Kinder, Aidan das andere, und der Heiler behandelte Melantha.
"Sie wird überleben."
Die erste Erleichterung.
Doch die Kinder schienen tot. Cyrian stimmte einen Gesang an, wohl etwas aus dem bretonischen Glauben, während Tharon selbst ein Gebet sprach. Das, was er selbst einst erleben musste, dass der eigene Sohn starb, bevor er die Welt sehen konnte, sollte hier nicht wieder geschehen. Weder Melantha und erst recht Titus wären dem nicht gewachsen. Für einige Augenblicke dachte er daran, wie die Leiche Fylgias gefunden wurde, am Fluss, wie man ihm noch sagen konnte, dass es ein Junge war, der tot in ihrem Leib lag. Dann schüttelte er all das wieder ab und war wieder in der Gegenwart.
Cyrian öffnete die Augen. Er erklärte, dass seine Götter, Liras und Leban, den Kindern das Leben spenden könnten, doch die Lebenskraft müsse von den Eltern kommen.
So geschah es:
Sein Gesang wurde plötzlich eine andere Melodie. Es war die des Schwarms, die Tharon das erste Mal an Welgors Grab in Edai und ein zweites Mal im Labyrinth, als Fhink Samgards Spitze benutzte, gehört hatte. Sie erfüllte die ganze Taverne. Der Sturm ließ nach und war irgendwann ganz verschwunden. Die Meldodie, so traurig sie wirkte, so viel Hoffnung schien sie zu geben. Das war kein Hexenwerk, das war etwas anderes. Was, vermochte Tharon nicht zu sagen, doch es wirkte.
Die Kinder atmeten, das Leben kehrte zurück, so wie von Melantha und Titus Teile ihres Lebens genommen wurden. Zumindest verstand der Nordmann es so. Auf der Stirn des Jungen sah man nun einen Mond, die Stirn des Mädchens zeigte eine Sonne. Sie waren beide gerettet.
Tharon spürte die Erleichterung aller, ebenso die Freude der jungen Eltern. Ob er irgendwann einmal so etwas erleben würde, fragte er sich erst, als später der Khagan eintraf und ihn genau das fragte. Er war nicht zornig, er war nicht traurig, er spürte, wie sein Inneres begann, dies alles hinzunehmen und zum Teil des eigenen Schicksals zu machen. Vielleicht war anderes für ihn selbst vorgesehen, aber nicht eines Tages in Frieden zu leben und einen Sohn oder eine Tochter aufwachsen zu sehen. Zweimal war es ihm nicht vergönnt, und das Erlebnis mit der wilden Nordfrau hatte er zwar noch im Kopf, doch seitdem hatte er sie nie mehr gesehen.
Cyrian berichtete ihm, wie er den Weg in die Taverne gefunden hatte. Ein zweites Mal war der Schwarm erschienen. Und er habe, so Cyrian, Melantha geformt und ihm die Entbindung gezeigt. So seltsam es war, aber es war nicht das erste Mal, dass der Schwarm ihnen half. Warum und wann er es nicht mehr tat, das wusste wohl niemand. Doch ebenso hatte er Cyrian gesagt, dass das Mädchen der Spion sei, von dem schon Maath gesprochen hatte. Doch kein Spion des Feindes war sie, sondern einer 'ihrer Seite'. So erfüllte sich auch dies.
Cyrian brach nun in den Norden auf, um mit Cornelius über dessen Kenntnisse der Anatomie zu sprechen (so nannten die Bretonen es, wenn man im Inneren von Menschen wühlte, um Krankheiten zu behandeln). Immerhin musste der Mörder sich auskennen und Cornelius war früher in der bretonischen Akademie als Anatom tätig. Tharon selbst wies Titus an, nur eine Nacht hier zu verweilen, aus offensichtlichen Gründen der Sicherheit, dann ging er wieder zum Turm.
Bald würde er wieder aufbrechen müssen, um Tundils Clan zu holen. Der Zwerg hatte ihn, Sigandi und auch Wulfus darum gebeten, ihn zu begleiten. Noch, so Tundil, versperre ein Steinschlag den Weg, doch sobald dies nicht mehr so war, würden sie aufbrechen. Tundil hatte ihm die Gründe seiner Verbannung geschildert. Diese waren recht unerfreulich und Tharon war etwas ärgerlich, erst jetzt von der Gefahr, die von Tundil ausging, zu erfahren, doch was zählte, das waren die Zwerge. Sobald es los gehen würde, müsste Wulfus eine Nachricht erhalten, denn vor einigen Tagen hatten sie am Rande des Tiefenwaldes eine Art 'Verhandlung' geführt. Jedenfalls waren sie der Rüstung Pyturs ein wenig näher gekommen.
Tharon fühlte keinen Neid, wenn er die Söhne oder Töchter anderer sah, oder wenn er das Eheglück anderer Leute betrachtete. Der Respekt vor den Göttern war zu groß, als dass er sie für seine eigenen Fehler verurteilte. Und doch fragte er sich, als er nun oben im Turm saß, wohin sein Weg gehen würde, sollte sein Kopf nicht eines Tages in Ymirs Händen liegen.
Es wurde wieder windig. Der Eisregen setzte wieder ein.
Das war das Wetter, das er liebte.

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Beitrag von Tharon » 15 Dez 2008, 15:51

Wie er in der Nacht durch den Eisregen und den unbarmherzigen Sturm ritt, waren mit ihm nicht nur die Götter, sondern auch all die Gedanken, die erst dieser Tage sich neu formten, um ihn wohl zu quälen, denn einen anderen Sinn sah er darin nicht:
Zuerst war da der 'Hybride', den er gemeinsam mit Cyrian stellen konnte. Der Name des eigentlich zwölffingrigen Bretonen, welchen sie hinter dem Schutzturm aufgreifen konnten, war Jovin. Er konnte sich an seine wohl zahlreichen Ausflüge in den Osten der Lande um Bregorn nicht erinnern, wie er auch keine Erinnerungen daran hatte, wann und wie genau man ihm die zwei zusätzlichen Finger abgenommen hatte -aber es war wie bei den Ermordeten. Und an jenem Tag, an dem sein Vater ihm wohl die Wahrheit sagen wollte, hatte dieser einen schrecklichen Unfall und ertrank. Da Tharon ohnehin nicht an den Zufall glaubte und weil in diesen Angelegenheiten es nichtmal Gründe gab, diese Einstellung zu überdenken, war der Unfall wohl ebenso von langer Hand geplant, wie auch alles andere, was mit Seran, den Morden und den Plänen der Dunklen Alten zu tun hatte. Cyrian nahm Jovin mit nach Bregorn. Dass an jenem Tage auch Kindron nach langer Abwesenheit zurück kehrte, war tatsächlich ein Trost in diesen finsteren Tagen. Wie immer schien ihn kaum etwas zu trüben und ebenso hatte er wohl den ein oder anderen brauchbaren Gedanken, was die gegenwärtigen Ereignisse anging. Wenn er doch nur so sprechen würde, dass man sofort sein Ansinnen verstehen konnte!
Als er den Turm der Oger passierte, hatte er keinen Gruß für die tapferen Mannen Tepoks über, sondern ritt geradewegs weiter in Richtung Tilhold. Auch dort gab es diese Fimbulbestien und sicherlich auch diese zweibeinigen Wölfe, wie einer bereits unten in Midtjord die Forderungen Fimbuls aussprach:
'Gebt uns zehn Kinder, und Fimbul wird euch verschonen', lautete die Botschaft -es war selbstverständlich, dass keiner der Anwesenden auch nur einen Gedanken daran verschwendete, diese Forderung zu erfüllen. Nachdem der Eiswylf verschwunden war, erschien Yi-Non, der Verräter. Er forderte, ganz wie Tharon es erwartete, den Sonnenkreis. Yi-Non behauptete, dass die Dunklen Alten wussten, wie man das Artefakt benutzen musste, um den Winter zu verhindern. Diesen Winter, der -wie Kindron und auch später die Mutter des Rudels bestätigten- zwar der Winter der nordischen Weissagungen war, welcher aber falsch in dieser Zeit war und hervorgerufen durch den Sonnenkreis. Als Tharon alles ablehnte, da löste Yi-Non sich wieder auf -doch der Spion aus Yarun hatte die Fähigkeit, ungesehen zu handeln und auch anzugreifen. Dies nutzte dieser Bastard aus. Er führte alle ander Nase herum. Nunmehr standen sie Rücken an Rücken; Wulfus, Cyrian, Tundil, Tharon, Elvadus, Toran und auch Eldorian, der nun ebenso zurück war. Doch es blieb keine Zeit, in Ruhe zu reden, als immer wieder Attacken des Unsichtbaren sie in die Irre führten. Es gelang einigen, ihn zu verwunden. Eldorians Augen glühten wieder und Wulfus' Mal leuchtete auf, als beide Yi-Non wohl direkt vor Tharon sahen. Er schlug zu, doch der Gegner konnte den Hammer halten.
"Lass ihn nicht deine Waffe nehmen!" rief Wulfus.
Tharon zerrte mit aller Macht den Hammer nach hinten, so dass er, und wohl auch Yi-Non, nach hinten fielen. Der Spion griff nach Tharons Gürtel und nahm den Sonnenkreis, aber Tharon gelang es, Yi-Non die noch fehlende Scheibe abzunehmen. Wulfus schleuderte zielgerichtet seine Wurfaxt, traf den Feind, doch Yi-Non konnte ihnen und den Grenzwachen entkommen. Nun aber war der Sonnenkreis vollständig -denn Yi-Non hatte nur eine Kopie bekommen, welche Tharon durch Aslardill hatte anfertigen lassen, schon vor Tagen.

Jetzt sah er im dichten Nebel die Grenze Tilholds. Er beschloss, einen Bogen zu reiten, um irgendwo hinter der Taverne im Wald einen Platz zu finden. Er musste beten. Beten und nachdenken. Was war zu tun mit dem Sonnenkreis, der nun in ihrem Besitz war?
Zuvor war er im Tiefenwald. Dort traf er erneut mit Davinicol und Sulva zusammen, um sich zu beraten. Er berichtete Sulva in knappen Worten von der Geburt der Zwillinge. Außerdem erzählte er von seiner Begegnung mit Amdir. Der Elaya hatte ihn um Vergebung gebeten, und Tharon nahm die Entschuldigung an. Amdir hatte tatsächlich mit dem Schwarm gesprochen, und dieser hatte den Rat gegeben, den Tharon und Sulva schon befolgen wollten, ohne es zu wissen: Den Sonnenkreis den Dunklen Alten übergeben. Doch konnten sie das wirklich tun? Yi-Nons Behauptung mochte wie vieles andere eine Lüge gewesen sein. Aber Amdir hatte erfahren, dass eine erneute Benutzung des Sonnenkreises in dieser Welt das Mathricodon zerstören würde. Als die Bretonen in ihrer alten Heimat den Sonnenkreis benutzten, entstanden Risse im Mathricodon. Erst so entdeckten die Dunklen Alten Kheldron als eine fornbare Welt -und so kam auch der Schwarm hierher.
Dann hatte Sulva den rettenden Gedanken. Davinicol, sie selbst und Tharon würden den Sonnenkreis auf jeden Fall testen müssen. Ohne Anwesenheit der Allianz, ohne Anwesenheit der Dunklen Alten -nämlich nicht hier, nicht in diesen Landen.
Wieder beschlossen sie, mit keinem anderen offen darüber zu sprechen.
Anschließend machte Sulva Tharon ein Angebot, die Schatten der Vergangenheit zu lüften, denn Tharon hatte -als sie die Scheibe Yi-Nons in den Händen hielten und dieser gerade entkommen war- ein Erlebnis.

Es lag nicht in seiner Absicht, den einsamen Stein aufzusuchen oder jenen Baum, wo er sonst seine Gebete sprach. Er benötigte einen Ort der Abgeschiedenheit und einen Ort der Reinheit, an dem er noch nie war und wo er unbelastet zu den Göttern sprechen konnte. Sein Pferd stellte er an einen alten Hochsitz, wo es vor Wind und Wetter geschützt war, dann ging er allein weiter durch das gefrorene und feuchte Unterholz, durch die Kälte und die ungewisse Dunkelheit. Seine Gedanken lagen nun in den Ereignissen, die ihn hierher getrieben hatten:
Nachdem er den Tiefenwald verlassen hatte, ritt er geradewegs mit nur kurzen Pausen in den Norden. Er erreichte das gefrorene und unter Eiswolken liegende Midtjord, wo auch schon eine kleine Ansammlungen von Leuten war, darunter auch Wulfus, wohl in Begleitung von Ceres. Draa war auch dort, jene Valkyn, die er als Fährtenleserin aufgenommen hatte, wie auch Tundil, Toran, dieser Drazahr der Ork Grundug und Kindron.
Scheinbar gab es bereits Diskussionen, die das weitere Vorgehen betrafen. Wulfus wollte die Fimbulwesen angreifen, natürlich auch, weil bereits ein kleines Mädchen durch sie gestorben war. Es schien so, als würden der Ork und die Bretonen mit Wulfus ziehen wollen, während Draa die Worte der Rudelmutter wiederholte und Kindron ebenso versuchte, die anderen von einem direkten Angriff abzuhalten.
Tharon war bewusst, dass er ihnen das genaue Vorgehen, was den Sonnenkreis betraf, niemals sagen durfte, ohne vorher Davinicol und Sulva zu fragen, denn so war es abgemacht und beschlossen. Es war besser so. Sie würden nur die Hälfte von der Hälfte verstehen, die gerade Tharon begriffen hatte. Außerdem war das, was Kindron ihm im Tiefenwald gegeben hatte, als Tharon zornig ob seiner Ratlosigkeit, ihm und der Mutter gegenüber stand, nichts, das er hätte beschreiben können. Lediglich fühlte er, dass Freya bei ihm war, während Thor wie er selbst noch verstehen musste, dass der direkte Kampf -zumindest jetzt und hier- der falsche Weg war.
So versuchte er, Wulfus' Vertrauen zu gewinnen, indem er ihm und allen sagte, dass er bald einen Weg kennen würde, den Winter zu beenden. Doch der Ruf des Kampfes und der Rache war größer, so dass er aufgab und beschloss, der Masse zu folgen. Und obschon er wütend war, wollte er keinen im Stich lassen. Toran schien sich nicht mehr an die erste und wichtigste Lektion der Übungen zu erinnern, sondern suchte den Kampf. Am liebsten hätte Tharon ihn quer durch das Lager geprügelt, aber es wäre ein Waffenarm weniger für dieses zum Scheitern verurteilte Unternehmen geworden. Man konnte den Winter nicht auf diese Weise aufhalten.
So gingen sie alle gen Norden, und an der Handelsstraße trafen sie auf eine der Bestien. Kindron versuchte, mit dem Tier Kontakt aufzunehmen. Aber als Toran vortrat, um Kindron zu schützen, griff die Bestie an. Scheinbar fühlte sie sich bedroht. Der Kampf verlief schnell, denn sie waren in der Überzahl. Aber Ceres ging zu Boden, und eine Schicht aus Eis fesselte sie an den Boden. Mehrere Wölfe kamen aus der Eiswolke, einer von ihnen nahm den Toten mit. Eine Stimme sprach: 'Elf Kinder.' Doch Kindron schien etwas zu opfern (später sagte er, es sei eines seiner Leben, aber Tharon verstand es nicht genau), so dass aus elf wieder zehn wurden -immer noch zehn zuviel.
Das Unternehmen hatte bewiesen, dass für ein erschlagenes Wesen mindestens vier oder fünf neue hinzu kamen. Wie sollte man eine Naturgewalt auch so besiegen? Nun war es erwiesen, und Wulfus folgerte, dass er nun bei Baldur insbesondere Buße zu tun hatte. Ein Gebet an Freya konnte Ceres retten.

Als er eine kleine Lichtung erreichte, von Tannen umgeben, fühlte er sich am Ziel. Er legte alles ab, bis auf seinen Lendenschurz, und lag im Schnee. Nach einer Weile kauerte er frierend an einer Tanne. Immer wieder sprach er seine Gebete. Sie galten Wulfus, sie galten den Dingen, die waren, den Dingen die sind und den Dingen, die sein würden.
Sie galten ebenso seiner Tochter.
Das war die Angelegenheit, in der Sulva ihre Hilfe angeboten hatte.
Tharon war nicht in der Lage, für seine Tochter so etwas wie väterliche Liebe oder Zuwendung zu fühlen. Wie sollte es auch möglich sein? Dennoch würde er sie, wie jeden anderen, beschützen.
Nachdem er die Sonnenscheibe Yi-Nons an sich genommen hatte, deutete der Tirinaither Elvadus die Zeichen darauf. Wie auch Davinicol schon sagte, schienen die Zeichen auf dem Sonnenkreis -wie auch hier- den Elementen zu entsprechen. Wie man sie drehen und zueinander stellen musste, sollte sich wohl erst später zeigen. Nachdem Elvadus die Elemente nannte, waren sie an einem Ort, den einige schon vorher gesehen hatten: Die mögliche Zukunft. Das Land in Eis und Schnee.
Wieder Bredorf. In einer Hütte fanden sie die Leichen von Taleth, Solia und Canrea, Myrkvas Tochter. Ein alter Toran erhob schwere Anklage, insbesondere gegen Tharon. Während Wulfus um Solia trauerte, warf der alte Toran gegen Tharon vor, dass er untätig gewesen sei, beim Tod seiner Tochter.
Und er blickte zu Canrea.
Bevor Tharon ihn erschlagen konnte, kehrten sie zurück.

So sprach er also auch für Canrea Gebete. Jeder, der dies erlebt hatte oder davon wusste (wie Sulva) versicherte ihm, dass er nicht untätig sein würde. Ihm selbst war das klar. Aber war es eine List Lokis, was sie da gesehen hatten oder war es die Wirklichkeit, wie sie sein würde, wenn sie einen Fehler begehen würden?
List oder Wirklichkeit spielten keine Rolle. Die Zweifel und die Erkenntnis waren ohnehin nun vorhanden. Zweifel darüber, was zu tun war und was das Ergebnis sein mochte. Erkenntnis darüber, dass er -nach den Jahren des Verlustes- eine Tochter hatte. Und doch war er wütend. Als er vor einigen Tagen Myrkva zur Rede stellte, da sprach sie von der Gnade Freyas. Nun, diese 'Gnade' weckte in Tharon aber nichts als Unruhe. Schon einmal hatte er ein Kind verloren und schon zweimal ein Weib. Und nun ließ sich etwa Freya herab und wagte es, ihm eine Tochter zu schenken, ohne dass er selbst dabei eine Rolle spielte? Bewusst hatten er und Myrkva nie miteinander geschlafen. Also war es eine List, eine Tücke oder ein lang gehegter Plan von jemandem oder von etwas. Canrea würde vorerst nichts erfahren. Wenn die Zeit reif wäre, würde Tharon sich Sulvas Ritual hingeben, um zu sehen, wie und wann es geschah -und vielleicht auch wieso.
Hatte er nicht, als die Zwillinge zu Welt kamen, daran gezweifelt, jemals Vater zu sein? Hatte er nicht insgeheim Wulfus bewundert, dass dieser ein Ziel hatte, nämlich das Erbe seines Sohnes zu erbeuten? Und hatte er nicht oft genug die Götter gefragtm, wieso sie ihn stets auf diese Weise prüften und ihn immer wieder an seinen Verlust erinnerten? Immer dann, wenn er glaubte, es endlich vergessen zu können?
Und nun das. Es war ein Schlag ins Gesicht.
Am nächsten Morgen fand ihn ein Jäger. Tharon war halb erforen und zitterte am ganzen Leib. Jeder Knochen und jedes Gelenk schmerzte. Kälte aber fühlte er nicht mehr, und es war anstrengend, die Augen zu öffnen, als die Pranke des groß gewachsenen Ogers ihn am Kopf berührte.
"Du kalt, Nordmann. Warum liegen hier rum und nicht tragen Sachen?"
Zu sprechen fiel schwer.
"Ich...ich muss eingeschlafen sein."
Der Oger nahm ein dickes Fell und wickelte Tharon darin ein. Dann schleppte er ihn über die Lichtung zum alten Hochsitz und warf ihn auf sein Pferd. Seine Sachen holte der Oger anschließend und warf sie in seinen Ochsenkarren, ein riesiges Gerät aus Holz und Eisen.
"Wohin bringst du mich?" fragte Tharon leise.
"Ich nicht leben an Turm. Ich leben in Wald in altes Haus. Haben nix zu tun mit Tepok oder euch."
Tharon nickte nur. Er war sowieso kaum in der Lage, sich zu rühren und ließ also alles geschehen, was gerade geschah. Die Hütte des Jägers war etwa eine Stunde entfernt, tiefer im Wald. Ein alter Pfad führte dorthin. Der Oger nahm Tharons Sachen und brachte sie hinein. Tharons Pferd wurde versorgt. Schließlich half er Tharon auf, der nunmehr selbst wieder gehen konnte, und sie saßen am Feuer.
"Du wollen Suppe?"
"Ja."
Sie aßen und tranken.
"Danke", sagte Tharon irgendwann.
"Ich dich kennen. Erkennen dich an Waffe. Du kennen Mutter von Oger?" fragte er und blickte Tharon dabei aus riesigen dunklen Augen an.
"Die Erde, ihr sprecht mit der Erde, oder?"
"Ja, machen Oger. Mutter von Erde mir sagen, dass frierender Mensch brauchen warmes Feuer bei mir."
Tharon nickte. Wenigstens war der Oger nicht auch noch von allen verlassen. Und vielleicht war das hier auch nur ein verrückter Traum.
"Oger sprechen mit Erde. Aber Oger wissen, auch geben in Himmel großes Macht. Dein Götter und andere."
"Ja, so ist es wohl. Aber sie sprechen nicht so klar mit uns wie eure Erdenmutter", sagte Tharon.
"Doch. Nur zuhören müssen."
Dann zeigte der Oger ihm seinen Talisman. Es war eine sehr dicke weibliche Gestalt mit recht stattlichen Brüsten. In einer Hand hielt sie wohl einen Teller.
"Ist sie das?"
"Ja, ist Erdenmutter."
Tharon nickte erneut. Dann deutete er an seinen Hals und zeigte dem Oger den Kopf der Waldkatze, ein Zeichen Freyas, von der er sich betrogen fühlte.
"Das ist eine meiner Göttinnen. Sie spricht zu mir, aber ich habe Schwierigkeiten, es zu verstehen."
"Nein", sagte der Oger brummend.
Tharon runzelte die Stirn. Sein Blick folgte dem Oger, als dieser aufstand und tatsächlich Tharons Rüstung und Waffen reinigte.
"Wieso machst du das?"
"Dir helfen. Du haben viel zu machen. Das du wissen, oder?" fragte er beinahe prüfend.
"Ja. Ich weiß."
"Fragen dein Freya nach Weg dahin, wo Sonnenkreis richtig benutzen -dann etwas passieren, aber du bekommen Möglichkeit, Winter von Fimbul zu beenden. Aber nicht allein, sondern mit alle."
"Alle? Es sollen alle dabei sein?"
"Nicht wenn benutzen, aber wenn gehen zu Fimbul."
Tharon schluckte. "Zu ihm gehen?"
"Ja", brummte der Oger. Er schien sehr alt zu sein, und seine Augen waren weiser als die der anderen Oger.
"Wer bist du und woher weißt du das?"
"Sein nur altes Mann und leben alleine, weil haben satt Krieg und andere."
Er fragte nicht weiter. In den kommenden Stunden nahm er mehrere Wurzeln und Kräuter zu sich, aß noch etwas von der Suppe und trank seinen eigenen Schnaps, um sich aufzuwärmen. Gegen Mittag musste es wohl sein, als der Oger sich erhob.
"Jetzt du gehen zurück zu andere. Du alles wissen. Helfen und handeln du."
Tharon zog seine Sachen an, nahm sein Hab und Gut und verließ dankbaren Blickes das Haus. Sein Pferd war ausgeruht. "Auf bald", sagte er nur. Der Oger nickte und winkte etwas zum Abschied.
Obwohl es Tag war, dunkelte es schon beinahe wieder. Der Sturm ließ nicht nach, aber sein Pferd fand den Weg zurück zur Straße nach Tilhold. Tharon stellte den Gaul in den Stall, betrat nur kurz die Taverne, um zu sehen, ob Zea noch dort war und ob Hildgard immer noch Odomars Klinge verwahrte. Alles schien in Ordnung. Nachdem er sich erkundigte, wo Tjoenn zu finden war und eine Nachricht an Ceres hinterließ, dass sie sich vielleicht um Myrkva kümmern sollte, ging er vorerst alltäglichen Arbeiten und Aufgaben nach. Er half, Holz zu sammeln, einfache Reparaturen zu erledigen, und am frühen Nachmittag ritt er hinauf zur Burg, wo er ein paar Stunden mit Mutter Frenya sprach und ihr in der Küche half. Zwar wunderten sich die Leute in der Burg, dass Tharon freiwillig für zwei junge Burschen den Küchendienst übernahm, aber Fragen stellte keiner.
"Was hast du denn?" fragte Mutter Frenya irgendwann. Man konnte vor ihr nichts verbergen. Tharon berichtete von dem seltsamen Erlebnis, das er in der Hütte des Ogers hatte.
"Vor vielen Jahren lebte dort ein Oger, ja. Ein alter Jäger, aber seinen Namen habe ich vergessen. Dass er noch lebt, ist ja ein Wunder", sagte Frenya mit einem Lächeln.
"Entschuldige mich."
So ritt Tharon erneut in den Wald, fand den alten Pfad und näherte sich der Hütte. Was er fand, war ein leeres Haus. Das Holz war morsch, ein Dach kaum noch vorhanden. Schon lange brannte hier kein Feuer mehr, und nichts schien auf den Oger zu verweisen. Hinter dem Stall dann fand er ein Skelett. Der Gestalt nach musste es ein riesiger Mann gewesen sein. Daneben stand ein uralter Karren aus Holz und Eisen. Tharon wusste nicht was geschah, aber war es nicht dieser Jäger, der ihn rettete? Ohne weiter zu grübeln schaufelte er dort, wo das Eis nicht so dicht war, ein tiefes Loch und bestattete das Skelett. Wenn die Oger an eine Erdenmutter glaubten, dann war es nur gerecht, ihn auch der Erde zu geben. Er suchte einen schweren Stein, den er auf die Grabstelle rollte. Dann sprach er ein Gebet und verharrte einen Moment dort.
Als er kurz in den Karren blickte, erkannte er einen Gegenstand. Es war der Talisman des Jägers. An den Stein stellte er einen dicken Ast und riss sich einen Lederriemen von seinen Armlingen ab. Er wickelte es um den Talisman und befestigte ihn am Ast. Und kurz bevor er sich herum drehte, fiel sein Blick wieder auf den Gegenstand in der Hand der Frauengestalt.
Jetzt hatte er die Worte des Ogers verstanden, die auch die Worte Freyas waren. Das war kein Teller. Es war eine Scheibe.
'Jetzt kenne ich den Weg', murmelte er.

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Tharon
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Beitrag von Tharon » 02 Jan 2009, 19:49

Die Jahreswende. Eigentlich zähle er die Jahre nicht, eigentlich waren sie ihm gleich. Auf eines folgte das nächste, bis das Ende kommen mochte. Doch es war sicher noch fern -und wenn nicht, dann war es eben so. So dachte er immer über die Jahre. Deshalb wusste er auch nicht, wieviele Jahre er schon auf dem Buckel hatte. Seinen Geburtstag beging er weder mit besonderen Tätigkeiten, noch wusste er ihn überhaupt, und es spielte auch keine Rolle. Wahrscheinlich waren es 35 oder nun 36 Jahre, die er hier war. Vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger. Es machte nichts. Und was kam und was ging, das nahm nur so lange Platz ein, wie es notwendig erschien. Viel war das nicht. Da war Chiva, ja, und da waren auch die Geschehnisse um Fylgia, die er nicht vergessen konnte, obschon im Laufe der letzten Monate die Gedanken daran nicht mehr so zehrten wie es davor noch der Fall war. Das Rätsel um Canrea, die seine Tochter war und die -wenn es das Schicksal so wollte- vor seinen Augen sterben würde, blieb haften. Denn es war noch ungeklärt. Jemand musste ihn und Myrkva gesehen haben, irgendjemand musste etwas wissen.
Doch ansonsten waren da nur der Feind und der Fimbul, der gnadenlose Winter, der aber nicht das Weltenende einleiten wollte wie es die Sagen kannten, sondern von Menschenhand gerufen wurde. Cyrian hatte das Rätsel beinahe gelöst, als sie eines abends in Edailechs Taverne nach der Versammlung Amdir sahen. Über einen möglichen Angriff des Feindes auf Edai sprachen sie und wie sie die Verteidigung vorbereiten würden. Das Ziel des Feindes war nicht Edai selbst, sondern ein bestimmter Ort dort, der einer der Knotenpunkte sein musste, die Cyrian schon bald ohne Benutzung des Sonnenkreises ermitteln konnte. Doch ob sie ihn benutzen sollten oder nicht, stand wohl auf einem ganz anderen Blatt. Die Lirban, das Schiff von Falkenschwinge, wurde als Fluchtpunkt für jene ausgewählt, die nicht auf dem umkämpften Land bleiben wollten.
Dann erschien Amdir. Nebel wanderte wie ein Raubtier durch den Schankraum bis an die große Tafel. Und dort sahen sie Amdirs Gestalt, wie sie mit einem Wesen sprach, das heute der 'Einsame Wanderer' genannt wurde -Wulfus war dem Fremden begegnet, als er im Mathricodon war, zusammen mit Dhuunyl -und er empfand ihn als gerechten Mann. Dennoch war Vorsicht geboten, als er Cyrians Aufzeichnungen verlangte. Der Wanderer jagte den Schwarm. Doch er allein wusste, wo dieses 'Haus der Seelen' war. Das war der Ort, wo der Feind Seran erwecken wollte. Instinktiv verlangte Tharon ein Treffen mit dem Wanderer, bevor sie ihm was auch immer geben würden. Er sagte nur, er werde kommen.
Was diese Versammlung auch brachte, sie zeigte, dass Amdir noch lebte -wo und wie lange noch, war eine andere Frage.
Und im Norden, wo der Fimbul schon ausbrach, waren seltsame Gäste. Zum einen eine Dunkelelfe namens Ilm, die dank eines Schreibens des Königs und dank Larienas Glaubwürdigkeit nicht als Gefahr angesehen wurde. Dass Tharon dennoch innere Vorbehalte hatte, würde diese Frau wohl ahnen. Immerhin war sie in der Lage, obwohl sie blind war, zu sehen. Auf andere Weise scheinbar. So sah sie auch, dass Valverian kein Elaya war. Und so stellte sich auch heraus, dass in Torans Klinge der Geist einer Elfein gefangen war -die durch Lasien getötet wurde. Lasien, welch Hexerei es auch war, zeigte Sulva im Traum Ereignisse seines wahnsinnigen Lebens. Namen. Man kam nicht von ihnen los, egal wie sehr man sie hasste.
Nur ein Tag war frei von düsteren Geschehnissen. Das war das Fest, das einige Tage vor der bretonischen Jahreswende vom König gegeben wurde. An jenem Tag gönnten sich besonders Tharon und Aslardill recht viel Gesöff, was wohl zum Gelächter und Spaß der anderen führte. Der leicht verwirrte Elvadus machte ein doch recht ansehnliches Zauberspielchen -worüber Tharon, betrunken, vergaß, dass er Magie hasste- und Tundil gewann das Turnier.
Das waren die letzten Tage des Jahres 209. Dann kam die Jahreswende.
Die Götter schienen es gut zu meinen, als sie gleich überall, in Nord wie Süd, die Dinge ausufern ließen. Das, was kaum einer beachtete, war aus Tharons Sicht das, was am meisten beunruhigte: Zea verschwand. Einfach so und sie war nicht mehr gesehen. Das konnte einfach nichts gutes bedeuten. Doch Zeit, darüber nachzudenken, gab es keine. Als Boten den Tod des Lethos bereits im Norden verkündeten, griffen die Fimbulbestien an. Riesenhafte Echsen und Bären, Wölfe und Eiswylfe. Gemeinsam mit Zwergen und Ogern konnten die Nordmannen die Station Angriffswelle um Angriffswelle verteidigen. Und als der Kampf am Ende war, da gab es viele Tote zu beklagen. Nicht nur durch die Bestien, sondern auch durch die unsagbare Kälte selbst waren schon Kinder gestorben. Und es wurden mehr. Der alte Leif sprach das Gebet, die anderen lauschten schweigend.
Erst dann gab es Gelegenheit, mit Wolfdietrich und Cyrian zu sprechen -sie waren geflohen, und man jagte sie, hatte sie wohl auch bereits angegriffen. Aber nicht Fimbuls Diener waren es, sondern Bretonen, Diener der Kirche, die sich gegen ihre eigenen Leute stellte. Es schien, als würde das Ende des Jahres durch das Ende des Lethos unter schlechte Sterne gestellt sein. Alles geschah zur gleichen Zeit, und innerhalb weniger Stunden schien die Dunkelheit noch schwärzer zu werden. Cyrian berichtete vom Testament des Lethos. Er sei der neue Lethos, und scheinbar war die Kirche gegen ihn. Die Frage, ob diese veränderte Kirche sich auch mehr für den Norden interessieren würde als ohnehin schon, konnten beide Bretonen nicht verneinen.
Johari und Joshua, die Kinder von Titus und Melantha, waren ebenso im Norden. Von den Angriffen wurden sie bisher verschont. Ob dies mit ihren Zeichen auf der Stirn zu tun hatte, das wussten wohl nur sie selbst, wenn auch nicht bewusst, oder Cyrian.
Und bereits am Anfang des neuen Jahres lichtete sich das Dunkel um die Geschehnisse in der bretonischen Kirche. Ein Ordensbruder Cyrians, Ascanio, sprach von einem Orakel Lebans, das seinen Anhängern mehr Macht versprach und Cyrian in ein falsches Licht rückte -wie auch der Steckbrief, der ihn als Mörder des Lethos bezeichnete. Wie konnte das alles geschehen? Es betraf den Norden nicht, noch nicht. Doch Tharon wusste, wieviel er Cyrian schuldete für all das Wissen, das er bereitwillig mit ihm und anderen teilte. So gewährte der Norden den fliehenden Dienern der Kirche Schutz, so wie die Zwerge Bruder Aldwyn schützen.
Doch auch über die Vergangenheit erfuhren sie mehr, an der Nebelküste. Scheinbar waren Liras und Leban nicht immer die Herren der Bretonen, und scheinbar war es die Lirban, welche Liranus und seine Gefolgsleute bis hierher verfolgt hatte. Und auf dieses Schiff sollten nun die Flüchtlinge gehen? Es war wohl doch nicht das letzte Wort darüber gesprochen.

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Beitrag von Tharon » 03 Jan 2009, 12:22

Am Morgen des dritten Tages im neuen Jahr ritt Tharon erneut nach Süden, doch nur bis zum Rand des Waldes an der nördlichen Handelsstraße. Er verließ diese nach Osten hin, bis er den kleinen Pfad erreichte, den er schon einmal sah, als ein unerwartetes Zeichen Freyas ihm das Leben gerettet hatte. Er stieg ab und führte das Pferd an den Zügeln weiter. Dann, nachdem er die Lichtung passiert hatte, sah er die eingeschneite Ruine der alten Jagdhütte -dort wo er den Oger bestattete. Und tatsächlich: Das, was er einst dort gesehen hatte, sah er nun noch einmal. Es war wirklich der einzige Weg. Kurz betrachtete er es noch, dann ritt er wieder zur Station und wartete auf Nachricht -zumal er in diesem Winter und erst recht nach den letzten Angriffen Tilhold nur verlassen würde, wenn es wichtig wäre.
So wie der Sonnenkreis.
Es war gestern, als ein einzelner Reiter, ein Bretone, durch Wind und Wetter bis in den Norden kam, um Tharon eine Nachricht Cyrians zu übermitteln. Sie schien dringend zu sein, er selbst war wohl noch am Blauen Turm. Er wies darauf hin, dass man Ryck, dem Boten, vertrauen könne. In diesem Moment erinnerte sich Tharon an das Geschehen an der Nebelküste:
Er selbst, Cyrian, Wolfdietrich, Laslo und Wulfus brachen auf, um diesen Bruder Ascanio zu finden. Cyrian war sich sicher, dass man ihn dort finden mochte, wo einst die Bretonen an Land gingen. Wolfdietrich war zuvor nahe der Abtei; dort lagerte nun die Kirche, mitsamt Lebanern, Paladinen und Vertretern der Inquisition. Und Laslo stellte einige Tage zuvor die Bitte, in seiner freien Zeit im Norden leben zu dürfen. Es schien, als sei er auf der Suche nach Freundschaft, was etwas war, das Alan ihm nie geben konnte. Wenn es eine Täuschung war, dann gelang sie. Aber Tharon ging nicht davon aus -was sollte schon geschehen? Also akzeptierte er den jungen Krieger an der Seite der anderen und bat ihn, mit ihm und den anderen zum Turm zu reisen -Cyrian wollte von dort zur Küste aufbrechen. Am Turm dann fanden sie nicht nur Cyrian, sondern auch einen Boten, der jedem ein Dokument in die Hand gab, das Cyrian als Mörder des Lethos bezeichnete. Das Gift der Inquisition breitete sich aus. Laslo kehrte um.
"Ihr braucht jemanden in Bretonia."
Auch im Süden spielte das Wetter verrückt, der Fimbul kam und kam. Als sie die einsame Küste erreichten, sah man zuerst zwei riesige Statuen, die aufs Meer hinaus schauten. Alte verrottete Zelte spendeten geisterhaften Menschen Obdach -es schien so, als würden diese verlorenen Seelen jeden Tag erneut den Tag der Ankunft durchleben, so wie sie sich gaben, was sie taten und wie sie sprachen. Doch auch Lebende waren dort: Ascanio, umringt von Dienern Lebans, die ihn nieder schlugen. Cyrian und Wolfdietrich, man sah ihren Zorn, gingen zum Angriff über. Wulfus und Tharon folgten. Es gelang, die Lebaner ihrem dunklen Gott in die Arme zu treiben. Nur den Anführer ließen sie leben.
Ascanio berichtete von einem Orakel Lebans, das Marcus und die anderen vollführt hatten und dass wohl Auslöser der ganzen Ereignisse war. Gaius, das war der Name des Anführers, sollte aber diesen Tag nicht mehr überleben. Ascanio verglich die Einstellung dieses Bretonen mit den dunkelsten Seiten Hels.
"Dann steht es schlecht um ihn, denn Hel und ich hassen uns", sagte Tharon.
Er ließ Gaius in die Augen des neuen Lethos blicken, dann schnitt er ihm die Kehle auf. Keiner schaute mehr auf den dreckigen Leichnam des Verräters.
Dann kamen die Geister. Und die Erkenntnisse: Es waren andere Götter, die man in der Heimat der Bretonen anbetete, und die 'Lirban' musste das Schiff sein, das Liranus bis hierher verfolgte.
Heute. Cyrians Nachricht beschrieb einen bestimmten Zeitpunkt, das Artefakt zu benutzen, und die Zeit drängte also. Kurz dachte Tharon an die Bilder, die sie schon gesehen hatten, das Eis, all die Toten und das Vergehen allen Lebens. Es musste getan werden, auch wenn der Anwender sterben würde. Amdir kehrte zurück und warnte davor. Er warnte auch davor, dem Wanderer die Aufzeichnungen Cyrians zu geben -beide, der Schwarm und der Wanderer, durften sich niemals begegnen.
Ob Tharon ihn überzeugte, wusste er nicht. Doch Amdir war bereit, sie zu begleiten -und er wollte das Artefakt auch benutzen.

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Beitrag von Tharon » 12 Jan 2009, 15:32

Weder in der Taverne, noch oben in der Tilholdburg konnte Tharon Canrea, seine Tochter, finden. Äußerlich erwachsen, innerlich war sie noch ein Kind. Und bisher wusste er nicht, wie es geschehen konnte, wie er und Myrkva ohne ihr Wissen ein Kind zeugen konnten. Myrkva sagte, sie wisse es ebenso nicht. Er glaubte ihr, wenn auch widerwillig -nun musste er ihr glauben. Denn sie war nun tot.
Die letzte Unterhaltung mit ihr verlief nicht gerade so, wie Freunde miteinander sprachen. Er machte ihr schwere Vorwürfe und ein Teil in ihm glaubte ihr kein Wort. Wie konnte sie, die doch Freya so nah war, nicht wissen, was der Sinn dieses 'Segens', wie Myrkva es nannte, war? Wieso wusste nicht wenigstens sie, wie es geschehen war? Nach dem ergebnislosen Reden schickte Tharon Ceres zu ihr, in der Hoffnung, sie möge die Mutter Canreas, die immer noch nichts von ihrem Vater wusste, beruhigen können. Und sobald die Angelegenheit um den Sonnenkreis geklärt wäre, würde er Sulvas Angebot wahrnehmen, um die Wahrheit zu erfahren.
Sie warteten in einem der Wachtürme bei der Brücke auf die Ankunft des neuen Lethos, Cyrian. Sulva war überrascht und erfreut, dass Amdir seine Begegnung mit dem Wanderer und den Kampf gegen Dhuunyl überstanden hatte. Auch Davinicol war schon eingetroffen, und Wolfdietrich war ebenso bei ihnen. Als Cyrian eintraf, da schien ein Licht durch die Dunkelheit des Fimbuls direkt auf die von der Kirche besetzte Abtei. Es musste wohl ein Zeichen sein, und so schickte der Lethos den jungen Paladin allein zur Abtei. Große Worte des Abschieds verlor man nicht, denn die Zeit drängte, wie Cyrian sagte. Er, der so viel über den Schwarm, die Zeit, die Zahlen, Zeichen und das Artefakt herausgefunden hatte, er musste wohl wissen, wann es soweit war.
Tharon führte Cyrian, Amdir, Sulva und Davinicol zur alten Hütte des Ogers, den er vor einigen Wochen hier bestattet hatte. Dort war nun ein leuchtendes Portal, wie sie sie schon oft gesehen hatten. Es musste der Weg sein, denn Freya hatte Tharon einst hierher geführt. Augenblicklich waren sie dort, wo der Geist Ecaltans in Form einer lebendigen Flamme lebte, wo sein Gefolge, die Ecaltanim lebten. Diese Wesen schwebten über dem Boden der Ruine, in die sie gelangten. Seltsame Klänge waren zu hören, das ganze Gebäude schien sich zu bewegen. Nebel und Lichter umgaben sie, und die Ecaltanim musterten die Neuankömmlinge freundlich und neugierig.
Dann blickte Tharon nach rechts, nach links und nach oben. Oder schaute er nach unten? Er wusste es nicht, denn zu seinem Erstaunen war die Ruine inmitten des Sternenhimmels. Waren sie den Göttern nun näher? Furcht und Verwunderung ergriffen ihn. Hier war also der Anfang von allem. Sein Glaube, der in den letzten Monaten schon auf harte Proben gestellt wurde, war -obschon er misstrauisch und furchtsam genug war- auf eigenartige Weise bestätigt und erstaunlich fest.
Der Geist wies darauf hin, dass derjenige, der den Kreis benutzen würde, sein Leben verlor. Tharon erinnerte sich, dass Amdir es tun wollte. Er sagte nichts, doch nahm er sich fest vor, es selbst zu tun. Aber die Wege des Schicksals verliefen immer ungeplant:
So kam es, dass Davinicol ausgewählt wurde, das Artefakt einzusetzen nach Cyrians Vorgaben. "Ich komme wieder", sagte der kleine Erfinder. Der Wicht war alles andere als ängstlich oder traurig -im Gegensatz zu Sulva. Tharon fragte sich, ob es richtig war. Sollte ein Wicht für sie nun sterben? "Nur wer Sonne und Mond kennt, kann den Sonnenkreis verwenden", sagte man sich. War es also so richtig oder sollte es Cyrian tun? Tharon brachte kein Wort heraus, und er ließ auch davon ab, Davinicol das Artefakt zu entreissen, um es selbst zu tun. Der kleine tapfere kluge Mann war entschlossen.
Cyrian zeigte ihm das Modell. Nach diesen Einstellungen legte Davinicol nun die Scheiben um. Als auch die letzte Einstellung vorgenommen war, erschien der Schwarm, und er wollte Davinicol holen. Gleichzeitig erschienen auf einmal Efron, Wolfdietrich, Harding, Wulfus, Ellaria und andere. Sie alle waren bei der Abtei. Dort fanden sie wohl die Tiara des gestorbenen Lethos. Und der Geist des alten Mannes selbst war bei ihnen. "Die Tiara ist aus Himmelseisen", sprach der Geist des Lethos. Er war der, welcher Sonne und Mond kannte. Die Bestimmung nahm ihren Lauf, als der Greis schließlich den Sonnenkreis nahm und an Davinicols Stelle den Preis des Schwarms bezahlte -die Götter holten ihn. Es war verdient. Und Tharon hatte tiefen Respekt vor diesem Mann. Ein weiser Mann, der selbst nach seinem Tod noch für den Ausgleich stand. Er sprach, dass man ihn vergiftet hatte. Es war Bruder Marcus, mit einem nordischen Gift, das ihm Vrekon, der Heldiener, gegeben hatte. Ein weiterer Grund, diesen Bastard endlich zu finden.
Und das Schicksal (oder der Schwarm?) warf sie alle fort an einen anderen Ort. Sie waren nun in einer Kammer, einem Labor. Dort war etwas, das Cyrian ein Astrolabium nannte. Draußen war eine Steilklippe, und sie sahen und hörten, wie dort Menschen verbrannt wurden, mehr als hundert Leiber brannten im Feuer -es war die alte Heimat der Bretonen, der Tag, an dem Liranus aufbrach und von der Lirban verfolgt wurde. Es war Maestlins Labor. Cyrian vollendete Einstellungen am Astrolabium, so dass sie sahen, sie würden in etwa zwei Wochen dem Fimbul gegenüber treten. Der Fimbul selbst, eine eiskalte Gestalt, groß wie ein Riese, erschien. Kindron erklärte dem Wesen, dass nicht die Götter ihn gerufen hatten, sondern der Mensch Maestlin. Voller Zorn war der Fimbul, ehe er verschwand. Dann erkannte Cyrian die Wahrheit über Maestlin: Es war der selbe Mann wie der Anatom Lucius. Und er lebte noch, 300 Jahre in der Zukunft -in ihrer Gegenwart!
In den Tagen darauf gelang es Tharon, Vrekon zu fassen. Er bemerkte ihn in Nordstein, wo er selbst eine ganze Nacht lang wartete -denn man sagte ihm dort, dass Vrekon ab und an dort war, um Vorräte zu holen und sich mit allem, was notwendig war, zu versorgen. Erst durch Folter gestand er seine Taten. Bevor Cyrian ihn mitnehmen ließ, nannte er noch Orte und Zeitpunkte, die auch auf einer Karte verzeichnet waren, wo er sich mit Heldienern treffen würde. Dort angekommen konnte Tharon, zusammen mit Toran, Harding, einem Kirchendiener und dem Lethos selbst einen Bretonen befreien und eine Gruppe Heldiener töten -auf seine Worte gingen sie nicht ein. Mit ihnen konnte man nicht verhandeln. Die Kinder, die bei ihnen waren, schienen vollends verdorben durch die falschen Lehren Hels. Tharon erinnerte sich an das letzte Zusammentreffen mit dem Geist der Gegenwart, als Hildgard durch einen Helspruch beherrscht war und Odomars Klinge gestohlen hatte. Ähnlich verblendet, nur durch ihre Erziehung, schienen auch die Knaben. Tharon sprach ruhig zu ihnen, er erklärte ihnen, wer Thor sei und wer er selbst sei. Ein wenig schienen sie zu verstehen, es blieb also Hoffnung. Er brachte sie ins Lager Bassis, wo die Kinder vorerst bleiben sollten. Da waren sie auch weitgehend sicher vor den Fimbulwesen.
Am alten Friedhof trafen sie dann erneut auf Uruku. Er sprach viel vom Schwarm und vom Wanderer, er schien alle mühsam enträtselten Geheimnisse zu kennen. Den Namen der Heimat der Bretonen kannte er nicht, seine eigene Heimat nannte er Marjastika. Die Dinge wurden immer seltsamer und komplizierter. Von der Inquisition hatten sie nichts mehr gehört, seit eine Gesandtschaft in den Norden kam, um Cyrians und Wolfdietrichs Auslieferung zu fordern. Natürlich lehnten die Nordmannen ab. Wolfdietrich gelang es, die Lirasdienerin zu überzeugen, ihn unter vier Augen anzuhören. Doch der Todesritter, der dabei war, tötete die Frau mit einem Dolchstoß. Wulfus und Tharon verfolgten den Mann, Tharons Schwertstreich ließ ihn zu Boden gehen. Eine Heilerin kümmerte sich um die Wunden des Lebaners, denn sein Tod würde noch schlimmere Dinge für den Norden bedeuten. Doch sein Wahn, dem dunklen Gott zu dienen, war so groß, dass Wolfdietrich sich wohl erbarmte, den Kerl aus dieser Welt zu erlösen. Es schien, als würden die Arme dieses Liras den Mann umfassen und seinem Leben hier ein Ende bereiten. Das alles war schon vor der Benutzung des Sonnenkreises geschehen.
Und schon vor dem Sonnenkreis kam es zu den Kämpfen in Bretonia. Laslo stürmte in die Taverne und rief alle zusammen. Gemeinsam zogen sie, an der Seite des neuen Lethos, in eine Schlacht mitten im schon brennenden Bretonia. So sehr Tharon diese Stadt auch mit schlechten Erinnerungen in Verbindung brachte, so wenig war es sinnvoll, sie verbrennen zu lassen. Es wäre die Gelegenheit für die Dunklen Alten. Paladine und Lebaner bekämpften sich auf offener Straße, tote Bretonianer und Bürger lagen in den Gassen. Sie schlugen sich, gemeinsam mit dem König, bis zum Marktplatz durch, von dort aus zur Akademie. Eratius war gefallen, und dieser Akkarin schien die geschäfte zu übernehmen. Er bestand darauf, dass Janus ihn damals zwang, die Spitze Samgards zu verwahren. Bis dies bewiesen wäre, ließ der König ihn verhaften, doch erst nach der Schlacht: Die Kirche war schwer umkämpft, und ein Lebaner nach dem anderen fiel den Gefährten und ihren Waffen zum Opfer. Laslos verhexte Armschiene bahnte ihnen den Weg ins Innere. Laslo lag am Boden, doch plötzlich erschien der Schwarm und heilte seine Wunden. Eine Kopie Laslos verließ das Geschehen. Tharon erinnerte sich an die Katze am Blauen Turm und daran, dass der Schwarm einst im Wilderland in Laslo gefahren war, als sie die Diener des Meeres bekämpften.
In der Kirche stellten sie eine Inquisitorin namens Aurora. Dieses Weib stammelte etwas von einem alten Gott der Bretonen und dass Marcus, das war die Schlussfolgerung, vielleicht Schutz auf der Lirban suchte. Innerlich verfluchte Tharon diesen Nathaniel. Der König verurteilte dieses verhexte Weib zum Tode, der sofort im Hof des Palastes vollstreckt wurde.
Das waren die Ereignisse vor der Benutzung des Sonnenkreises.
Und nach all diesen Dingen, dem Sonnenkreis, der Schlacht in Bretonia, nahm der Krieg gegen die Dunklen Alten einen neuen Verlauf:
Die Schlacht um Edai.
In der Nacht zuvor war ihnen der Einsame Wanderer erschienen. Er kündigte an, sie nach dem Kampf zum Haus der Seelen zu führen. Dieses Wesen schien sich wohl sehr sicher zu sein, dass wenigstens der neue Lethos das Ganze überleben würde.
Die Grenze zum Breland war der erste Schauplatz. Chimären, Drakoskrieger und andere Unholde, darunter auch diese Wesen mit den scharfen Klingen an den Flügeln, denen Tharon seine Metallhand verdankte, versuchten die Palisaden der Grenze zu erstürmen. Schon da gab es große Verluste, doch sie konnten den Feind aufhalten. Dann kam ein Beben. Der Feind schlug eine unterirdische Bresche, so leicht, als würde er ein Feld pflügen. Nur war die Ernte nichts Lebendiges, sondern mehr als drei Dutzend gefallene Soldaten. So folgten sie der gnadenlosen Spur bis Edailech. Dort brachen die Mazzrarim aus dem Boden und fielen über die Armeen der Allianz her, die dort stationiert waren. Der Kampf war grausam und blutig. Und als er vorerst an seinem Ende schien, brachen die riesigen Kreaturen hervor, die an ihren unförmigen abstoßenden Schädeln metallene brennende Kronen trugen. Darin baumelten die gerade eben gefallenen Krieger. Eldorians Verbündeter, ein riesiger Drache, ging in den Nahkampf gegen eines der Wesen. Während die Kolosse bebend ihren Kampf austrugen, schlugen weitere dieser Kreaturen alle Häuser in Schutt und Asche. Die Taverne stand schon nicht mehr, als eines der Wesen Eldorian erwischte. Schwer verletzt lag er am Boden. Die Allianz stürmte gegen das Wesen wie eine Welle, und tatsächlich gelang es, das Ungetüm zu Boden zu bringen, wo es einen Krater hinterließ, in dem weitere Verbündete erschlagen wurden wie Fliegen.
Eldorian ließ sich kaum etwas anmerken. So schleppten sie sich wieder nach Iridai, um den nur kurzen Moment der Ruhe für die Erstversorgung der geschlagenen Wunden zu nutzen.
Dann kamen sie wieder. Der Drache stieg empor, um in den Luftkampf gegen die sich enttarnenden fliegenden Ungeheuer des Feindes zu gehen. Einige von ihnen verschwanden wieder, als sie über der Burg waren. Während am Boden Mazzrarim, sowie die riesigen brennenden Ungetüme und die Klingenkrieger ihr blutiges Handwerk fortsetzten, stahlen die Quentar, wie man sie wohl nannte, eine Truhe. Es war jene, in die Ashimar Maestlins Stundenglas gesperrt hatte. Diente diese blutige Schlacht nur diesem Zweck?
Irgendwann war es vorüber. Eldorian lag sterbend am Boden, als Tharon sich mit letzten Kräften zu ihm schleppte. Sulva kniete verzweifelt bei ihm. Dann kam der Drache, und er forderte den Preis für seine Dienste:
Eldorian.
Seine riesigen Klauen griffen den Herzog. Sulva war voller Wut und Verzweiflung. Tharon ging es nicht anders. Mit seinen letzten Worten richtete sich Eldorian an ihn, er möge auf Sulva achten und den Stein benutzen, den Eldorian ihm vor Monaten gegeben hatte. Der Stein würde einen weiteren finden und sie gemeinsam ein Ei. Tharon verstand in seinem Zorn nichts davon, doch er merkte sich die Worte. Er würde nicht aufgeben, Eldorian zu finden -allein schon für Sulva.
Aber das war nicht das einzige Opfer: Edai stand nicht mehr, doch der Feind war zurück gedrängt. Zahllos waren die Opfer der Allianz. Kaplane, Mönche und Freiwillige sammelten Leichen, Arme, Beine auf. Und unter den Gesichtern des Todes war auch Mylinda, die für Elea hier in den Kampf gezogen war. In Torans Armen starb sie.
Als sie im Hofe der Burg im Lazarett saßen, vernahm man Sulvas zornige Klagen aus dem Turmzimmer bis hierher. Ein Karren kam in die Burg, er trug die Gefallenen aus Edailech mit sich, die man in den Trümmern der Taverne gefunden hatte.
Darunter war Myrkva.
Wulfus' Gebet führte dazu, dass der Geist der Gegenwart durch Baldurs Licht verdrängt wurde, und Myrkvas Seele konnte zu den Göttern fahren. Tharon bemerkte die tröstenden Worte Sulvas, ihre Hand auf seiner Schulter, dann ihren Kopf. Er bemerkte auch Wulfus' Worte, wie auch Aslardills, Hardings oder Ellarias. Aber richtig antworten oder bewusst sprechen wollte er nicht. Nun gab es nur noch Canrea. Und sie wusste weder etwas vom Tod ihrer Mutter, noch wusste sie, wer ihr Vater war. Es würde eine schwere Zeit folgen. Wieso Myrkva? War es letztlich die Strafe dafür, dass sie einst Chiva an die Dunkelheit gegeben hatte? Kein Zorn umgab Tharon, sondern einzig Resignation. Die Worte Grundugs verfehlten ihre Wirkung nicht, doch konnte wohl niemand heute noch von Tharon erwarten, Zuversicht zu zeigen.
Denn heute hatten sie viel zu viel verloren.
Abgesehen von den Toten und dem Stundenglas verloren sie ebenso das Siegel der Zeit, von dem sie nicht einmal wussten, es zu haben. Ein Paladin berichtete Cyrian, dass Janus, zusammen mit Zea und der Kopie Laslos, einen bretonischen Gardisten tötete. Dann nahm Janus das Siegel an sich, das die ganze Zeit im Pentagrammturm Bretonias verborgen lag.
Sie hatten so viel nun verloren.
Und schon am Tag darauf galt es, wieder bei klarem Verstand zu sein. Rodrik, einer der Söldner, die in der Schlacht teilnahmen, bot Platz an seinem Feuer an. Laslo traf ein und erfuhr erst jetzt, dass seine Kopie bereits tätig wurde. Dennoch führten sie den Plan aus, den Laslo ihm vor der Schlacht nannte: Tharon brannte ihm ein Zeichen in den Arm, dass sie ihn unterscheiden konnten.
Nachdem Cyrian, Kindron, seine Feenfreundin Flora und andere eintrafen, sprach die Fee plötzlich in einer anderen Stimme -es war die Stimme des Wanderers. Nach Bredorf ging es, natürlich, in die Taverne gleichen namens.
Eine verhüllte Gestalt saß in einer Ecke, vor einem Gemälde. Seltamer Spuk ging hier um. Das Schachbrett bewegte sich, ein Wolfskopf schien sich ebenso zu bewegen.
Dann plötzlich bewegte sich das Gemälde. Die Figuren darauf bewegten sich, das Bild veränderte sich. Es zeigte die schon bekannte Steilklippe in der Heimat der Bretonen und dann wie ein alter Mann, wohl der Lehrer Maestlins, erdolcht wurde von einem der Roten Garde -für seine Lehren von Zwergen, Elfen, dem Schwarm und den Zahlen. Diese Heimat war eine düstere.
Die Gestalt vor dem Gemälde warf einen Krug in Richtung Artim Muddens, dem Wirt, den sie schon so lang kannten und für seinen doch recht guten Met schätzten. Dieser blieb vollkommen gelassen, denn es zeigte sich, dass der Wanderer mit ihm verbunden war, durch einen schon lange währenden Handel.
Lariena kannte den Ort, den er nannte. Auf dem Weg erreichten sie die verlassene Taverne des Tal Beltain. Dort trafen sie die alte Dalia. Wie sollte es anders sein, schien sie die selbe Frau zu sein wie der Geist der Wahrsagerin an der Nebelküste -Seele und Geist getrennt, wie wohl Amdir richtig vermutete. Nicht nur Toran und Cyrian gab sie seltsame Hinweise, sie warnte auch vor dem Haus der Seelen. Sulva schenkte sie eine Vision von Eldorian. Als sie Tharon davon erzählte, gab es für ihn nicht unbedingt einen Grund zur Freude, aber er sagte ihr nichts. Nicht jetzt, nicht hier.
Das Haus der Seelen war ein altes baufälliges Zelt, umgeben von Nebel. Es gelang, den Wanderer zu überzeugen, dass Anthimus' Körper, wie wohl auch seine Seele, ein angemessener Preis waren. Aber Chrysanthia, mit Gefolge und in Begleitung des wirren Maestlins, waren auch dort -auch sie boten. Es war eine Versteigerung, eine Auktion, und Tharon fand es abstoßend. Die Lage geriet außer Kontrolle, denn Maestlin erkannte, dass die Dunklen Alten ihn, wie jeden, als ein Werkzeug benutzen:
Chrysanthia forderte das Stundenglas. Janus musste es Maestlin gegeben haben, doch nun forderten sie es zurück. Die Einstellung dieses Wahnsinnigen schien in diesem Moment beinahe nachvollziehbar, wenn auch gefährlich. Er wedelte mit dem Glas umher, das schon vibrierte. Chrysanthia nickte einem weiteren Begleiter zu -es war Yi-Non, der Spion aus Yarun. In ihren Händen hielt sie ein Geschenk Kindrons, das die Verhandlungen erleichtern sollte. Doch all das war nun ohne Sinn, als Maestlin das Stundenglas in das Haus warf. Tharon und Amdir stürzten sofort in das Haus, und es gelang dem Elaya, es zu fangen, bevor der Schwarm sich in Gegenwart des Wanderers freisetzte. Nebel umfing diesen, so dass er verschwand. Tharon sah noch, dass Maestlin floh, aber durch Flora aufgehalten wurde. Drakoskrieger griffen nun Cyrian an, Yi-Non wollte Maestlin töten, doch vorher traf in ein Pfeil Hardings und er starb -nun endgültig! Chrysanthia verschwand krächzend, als Sulva ein Samenkorn gegen sie warf.
Eine Tafel. Odins Tafel. Ein Mann. Eldorian. Sulvas Vision bestätigte sich in einer, die nun Tharon hatte, der im Haus der Seelen war, aber keinen seiner Begleiter sehen oder hören konnte. Wie lange diese Reise in diesem Hexenhaus dauerte, wusste er nicht zu sagen. Stets veränderte es seine Größe, und das Klagen der Seelen war das einzige, was Tharon hörte.
Dann sah er seine Begleiter wieder. Hinter ihnen war der Schwarm, darin standen diese mechanischen Wesen, starr und reglos, und der Himmel war dunkelgrün. Wabernder grün leuchtender Nebel stieg aus Türe und Eingang der Fenster eines Hauses -jenes, das sie vom Gemälde kannten, wenn auch die Umgebung eine andere war. Wo sie nun waren, konnte man nicht bestimmen. Und es war Tharon auch gleich, er wollte nur noch weg von hier.
In dem Haus trafen sie den Mann aus dem Gemälde. Es war einer aus der alten Heimat. Sein Name Hippasos. Jeder fand in diesem Haus Gegenstände aus seiner Vergangenheit oder Zukunft. Tharon war sehr verwirrt, als er 'seinen' fand.
Doch verwirrender waren die Worte dieses Mannes. Er hatte es wohl geschafft, vor seinem Tod sein Haus und sich selbst in der Zeit zu bewahren -wie auch immer diese Spukgeschichten abliefen. Und Cyrian sei derjenige, der die Maschine Lüds bauen müsse. Er fand seine eigenen Baupläne wie auch Bücher, die er selbst unter einem anderen Namen geschrieben hatte. Amdir und Sulva bekamen Aufgaben der Zukunft, wie auch Tharon selbst, doch verlor er darüber kein Wort mehr. Es war nämlich kaum zu glauben. Auch Lariena bekam eine Aufgabe, ebenso Kindron. Hardings Pflicht schien es zu sein, die Seelen des Hauses zu befreien, die es an sich gebunden hatte, nachdem Hippasos getötet wurde.
Das Schicksal hatte also nun einen weiteren Kreis geschlossen, denn nun wussten sie, woher die Maschine kam und wer sie baute, bauen würde: Cyrian.
Sie kehrten heim wie sie gekommen waren. Cyrian nahm Maestlin mit. Tharon und Sulva ritten weiter gen Norden, nachdem man sich in Bredorf getrennt hatte.
Als Tharon weder in der Burg, noch in der Taverne oder im Lager Canrea finden konnte, beschloss er, zur Abtei zu reiten und nach Edaistadt. Vielleicht war sie ja dort, um zu sehen, ob sie noch helfen konnte. Denn wenn sie auch, wie jedes Weibsbild, zickig und biestig war, so trug sie ihr Herz doch am rechten Fleck. Nun war er gezwungen, ihr alles zu erzählen, das Versprechen Myrkva gegenüber hatte an Gültigkeit nun verloren.
Es war, wie Sulva, Wulfus und andere es sagten:
Er hatte nun eine Familie. Das war Canrea, seine Tochter.
Dass er im Haus des Hippasos einen Armreif fand, in dem Chivas Name stand, beunruhigte ihn dennoch.

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Beitrag von Tharon » 16 Mär 2009, 20:32

Tharon saß angelehnt an einer toten Eiche, das Finstertor betrachtend.
In den Wirren und der Kälte des Fimbulwinters erfuhr Canrea die Wahrheit. Sie, Tharon, Alan und Wolfdietrich begegneten sich am Abend mitten im Wald südlich von Bretonia. Dunkle Wolken am Himmel, der Schnee wurde immer dichter, und Eis lag über den Landen. Dörfer begraben darunter, sogar Bretonia. In der Stille des Winters vernahm man jedoch die drohenden Rufe der Fimbuldiener: Bestien, Wölfe, Bären und Drachen. Sie schlugen sich durch den Wald, bis sie an einem Hochsitz Aslardill und den anderen begegneten. Gemeinsam gelang es ihnen, Martus von Brioless zu befreien aus den Händen eines Generals des Fimbul. Vorbei am Palast, der beinahe ganz unter Eis begraben lag, erreichten sie das Lager des Widerstandes, wo sie Cyrian, Roan, den Khagan und andere sahen.
Doch bevor sie den letzten Marsch einschlugen, um den Fimbul zu vertreiben, stand noch eine Entscheidung an. Taleth, jener der den Alten diente, war unter ihnen und bot ein Bündnis mit dem Feind an. Es war das, was sie selbst ins Auge gefasst hatten. Aber die Bedingungen waren untragbar. Da wollte Tharon lieber kämpfen, und deshalb scherte es ihn nicht, als Alan die Verhandlungen beendete, indem er Taleth angriff -doch er konnte entkommen. Es war gut, das Bündnis abzulehnen, denn beim Fimbul angekommen war es die Arroganz des Feindes, den Fimbul besitzen zu wollen, die Tharon und den anderen half, diese Naturgewalt dazu zu bewegen, die Welt zu verlassen und sie zu verschonen, bis seine wirkliche Zeit gekommen sein mochte. Eis und Schnee verließen das Land, so schnell wie sie kamen, und obschon viele den Tod fanden, war es doch so, dass das Leben seinen Weg fand und langsam bis heute der Frühling wieder einziehen konnte.
Immer wieder blickte er zum Finstertor. Er dachte daran, wie er als Knabe in dieses Land kam und wie es sich bis heute verändert hatte. Innen wie außen war alles anders. Das Land lag nun im Krieg. Und es war nicht nur der Krieg gegen die Dunklen Alten, sondern ebenso gegen Tectaria. Das allein würde reichen, den stärksten Mann unter der Last zu brechen. Aber in diesen Tagen mussten sie alle stärker sein. Denn der Feind war nun auch unter ihnen: Die Fremden.
Im Lager des Widerstandes enthüllte er Canrea die Wahrheit. Er war ihr Vater. Wie, wusste er nicht, wann und wieso, wusste er nicht. Es gab keinen Beweis, aber sie glaubte seinen Worten und nahm es gefasst auf. In den kommenden Wochen würde ihr Verhältnis sich kaum ändern. Wie sollte es? Es war, wie Tharon schon Sulva sagte, bevor sie eine wichtige Reise aufnahm: Es verband sie wenig. Ob es anders werden würde, mochte nur die Zeit zeigen.
Ebenso war es die Zeit, die wohl enthüllen mochte, welche Wahrheiten hinter jenem Stein lagen, den Eldorian Tharon vor seinem Verschwinden gab. Tharon glaubte immer weniger an Eldorians Tod, je mehr er erfuhr. Von alten Ereignissen aus dunklen Tagen hörte er, doch noch fehlten einige Erkenntnisse, um zu handeln. Gab es einen Weg, so würde er ihn gehen. Wie er auch den Geist der Gegenwart besiegen musste -auch das stand noch aus. Und wie in Edais Schlacht, so waren sicher auch während des Fimbul Menschen gestorben, deren Seelen, so sehr man auch Gebete sprach, in die kalten Arme von Hels Diener wandern würden.
Die Fremden. Tharon hatte zusammen mit Cyrian die Insel des Himmelseisens besucht, um den Leichnam des echten Liranus zu bergen. Denn es war nicht Liranus, der einst, vor 300 Jahren, die Nebelküste erreichte. Es war ein falscher Leib, der mit dem körperlosen Geist eines unbekannten Wesens, eines Fremden, beladen, den Grundstein des heutigen Bretonia legte. Ein Bretonia, das selbst nur noch ein schwarzer Schatten aus Angst und Verderben war.
Die Zeit war ein Feind. So viel hatten sie über die bretonische Vergangenheit erfahren, über das Land Tectaria, von wo sie kamen. Und eben jene Tectarier waren es, die jetzt kamen, wohl um ihr Volk, die Nachfahren des Liranus von Breton, zu 'reinigen' -darunter verstanden sie das Verbrennen lebendiger Menschen. Schon auf der Lirban gab es Kämpfe, und später auch an der Nebelküste. Die Tectarier standen hinter der Verschwörung gegen den neuen Lethos und ebenso gegen den alten Diener der bretonischen Gottheiten. Und jene, Liras und Leban, schienen im Glauben der Hun tatsächlich Diener dieses Amur zu sein. Es war schon erstaunlich, was man alles erfuhr, wenn man dauernd in Gegenwart gelehriger Leute war.
Ein Bretonia, das nunmehr den Dunklen Alten diente:
Tatsächlich war es so, dass ebenso in Darius ein Fremder war, übertragen von Liranus bis Lerhon -und nun Darius. Er paktierte mit Janus. Bretonia stellte sich in den Dienst des Feindes, verließ damit die Allianz. Nun war es ein Feind, und viele wollten Darius tot sehen.

Nachdem in Bretonia zahllose Unschuldige starben, war es das Archiv 'die Nacht', welches Tharon, Cyrian und den anderen des Widerstandes, darunter auch Prey, der zum Hauptmann der Edaimiliz wurde, ein Weg in die Stadt wurde. In einer waghalsigen Aktion gelang es ihnen, Taleth mit seinem Zwillingsbruder auszutauschen und ebenso Roan von Carmon, gewandet als Drakoskrieger, an seine Seite zu stellen. Denn Janus hatte Taleths dunklen Bruder zum Kanzler Bretonias gemacht. Als Tharon dem dunklen Zwilling den Kopf abschnitt, spürte er Freude. Endlich. Einer weniger.
Doch die Freude währte nicht lang. Auluua wurde gefangen genommen, und der Hinterhalt, in den sie gerieten, zeigte eines: Dass es Verrat gab.
Verrat gab es überall. In der 'Nacht' fanden sie einen Mechanismus, der Bretonia in wenigen Tagen in Schutt und Asche legen konnte, eingerichtet vom Fremden in Hieronymusz Klammberg, lange bevor er im Wilderland starb durch Laslos Hand. So kam es auch, dass der Fremde in Klammberg den Leib verließ, bis er einen neuen Wirt fand. All jene Wirte sahen sie nun in den sieben Ecaloscopen, die sie auf der Insel des Himmelseisens fanden. Darunter Roan, Dalia, Janus. Und sogar Samgard selbst war ein solcher Wirt.
Nur Ellaria, eine Schülerin des arroganten und hochnäsig plappernden Zauberers Leandros, konnte diese Verräterin sein. Und sie gestand. Doch ihre Gründe waren etwas, womit Tharon sich nicht befassen wollte, nachdem er ihr Schmerzen zufügte, um sie zum Geständnis zu zwingen. Sie hatte Gefühle für ihn. Es bedeutete ihm nichts, denn wäre es die Wahrheit gewesen, dann wäre sie niemals zu Taleth gegangen, um ihn zu warnen, sondern wäre zu Cyrian oder Tharon selbst gegangen. Und es war nun ihr Glück, dass der Plan selbst aufgegangen war. Cyrian ließ sie gehen.
Taleth musste eine Nachricht erhalten, um vor Roan und den anderen Fremden, die ihn umgaben, gewarnt zu sein. Es schien, als hätten diese Fremden durch Ecaltan die Chance erhalten, auf Bretonia zu siedeln -Liranus und die seinen wurden benutzt. Genau so, wie Ecaltan auch die Mutter der Dunklen Alten vor langer Zeit getäuscht hatte, um in Wahrheit nur seine eigenen Ziele zu erreichen. Gab es denn nirgendwo Verbündete?
Nicht einmal Amdir war noch zu trauen. Durch ein Artefakt der Fremden, das Teil der verdammten Maschine war, schien es ihn nun mehr als einmal zu geben. Und einer von ihnen zerstörte die Ecaloscope in der 'Nacht', wie auch jene auf der Insel.
Doch Amdir musste in den Schleierriss gehen. Tharon verstand nicht, was dies für eine Welt war, obschon er sie selbst sah. Und dort begegneten sie Lasien. Jenem, der getötet wurde. Enyra, eine Elaya, die wohl ebenso eine Rechnung mit ihm zu begleichen hatte, tat das einzig Richtige und tötete ihn. Doch die Wesen dort schienen sich nun zu fürchten, war er doch ihr König geworden. Nur Amdir, Lasiens Sohn, könnte ihr Nachfolger werden.

Im Archiv 'die Kerze' fanden sie einen Weg, Bretonia vor der Zerstörung zu bewahren. Es waren vier Artefakte, die einer anwenden musste, in der 'Nacht', um das Ziel zu erreichen. Nur noch wenige Tage trennten sie davon. Doch der Anwender würde, wie das Gewölbe, im Mathricodon verschwinden. Tharon bot sich bewusst nicht an, denn all dieses Dunkel war verursacht durch die Bretonen, also mussten sie es auch beenden. Helfen würde er, aber die Aussicht, irgendwann in der Schlacht zu fallen und nach Walhall zu gelangen war erstrebenswerter als das.
An jenem Abend, als sie zusammen kamen, um den Mechanismus zu betätigen, hatte Cyrian Neuigkeiten: Jemand hatte ihnen Zeit verschafft, die Uhr wurde weiter nach hinten gestellt. Gab es doch Verbündete?
So dunkel waren diese Tage. Darius selbst drohte Tharon mit Hinrichtung, viele Menschen flohen noch rechtzeitig aus Bretonia, bevor jene, die dem Widerstand angehörten, einfach gerichtet wurden. Prey konnte erfahren, dass Martus auf Seiten des Widerstandes war, aber nicht offen handeln konnte. Doch ansonsten sah es nicht gut aus.
Die Schlacht um den Waldrand stand noch aus, und Wolfdietrich und Tharon waren sich einig, dass dieser Angriff auf ein Lager des Feindes nicht wirklich ein Überraschungsangriff werden würde.
Wer wusste schon, wieviele hier erneut fallen würden?
Wolfdietrich, dies zeigte ein Ecaloscop, war ein Bruder von Janus. Immer mehr düstere Zusammenhänge wurden offenbar.
Wie würde das alles nur enden?

Das Finstertor. War dies ein Weg, einen für den Feind unerwarteten Angriff durchzuführen? Scheinbar bewegte man sich über diese Elementarlinien, wenn man bestimmte Zeichen benutzte, um das Portal zu durchschreiten. Doch bevor sie endlich am Ziel waren, der Finsterschlucht selbst, gelangen sie für einen Augenblick in die Ostfold. Nur einen kurzen Blick gewährte die Reise auf Tharons Heimat. Immer noch zerstört, immer noch begraben unter den Toten. Zeit, zu beten, gab es keine. Denn wieder waren sie woanders: Eine seltsame Kammer, in der sie eine Stimme hörten, die so laut und voller Hass und Ekel war, dass sie nur der Mutter der Dunklen Alten gehören konnte. Dort war eine Öffnung im Boden, eine gallertartige Masse, die seltsam pulsierte und an den Wänden waren überall riesige Adern, gefüllt mit seltsamen Flüssigkeiten.
Schließlich die Insel. Die Ecaloscope. Die Fremden. Und der dunkle Amdir, wie er die Apparate vernichtete.
Cyrian konnte eine Steinscheibe erbeuten, die sie in der Finsterschlucht an einem weiteren Tor einsetzten. Sie gingen hindurch und waren wieder im Breland. Nun gab es einen Weg.
Der Kampf an der Abtei. Er zeigte wieder, wie Edai, dass das Ende kein Gutes sein konnte. Alans Plan, mit einem Scheinangriff die Soldaten aus Bretonia heraus zu bekommen, sie an der Abtei für den Widerstand zu gewinnen, scheiterte, als einige sich entschlossen, ihm zu folgen und von den anderen angegriffen wurden. Als Diener des Feindes eingriffen, tat dies auch der Widerstand. Die Verluste waren wieder groß. Es schien kein Licht am Horizont zu geben.
Und die Abtei war nun in Feindeshand, wie Bretonia.
Tharon schaute zu Arjk, der auf einem Ast des Baumes saß. Ulimnas war nun in Marjastika und hatte diesen schlauen Vogel gesandt, um Cyrian eine Nachricht zukommen zu lassen. Ulimnas hatte jemanden gefunden: Eine Frau, die eine Tochter gebar. Eine Prinzessin, wie es hieß. Nun, wenn die Hoffnung, den Krieg zu beenden oder wenigstens einen Vorteil zu haben, dort lag, dann mussten sie in dieses ferne Land, aus dem auch der kleine Schamane Uruku kam.
"Hast du den Khagan gesehen?" fragte Tharon, wissend, dass der Vogel nur auswendig gelernte Worte sprach.
"Khagan gesehen?" fragte Arjk.
Tharon nickte stumm. Ein Geist war ihm und dem Khagan erschienen, als sie auf dem Weg zur Versammlung der Allianz waren. Dieser sagte ihnen, wo sie Percival finden mochten. Doch am Ziel angekommen, fanden sie einen leeren Turm, auf einer kargen Insel. Dahinter, auf dem Meer, eine Säule. Aber keine Spur von Lod. Auf dem Rückweg dann erschien ihnen das schwarze Schiff, das Tharon und Cyrian ebenso sahen. Und im Augenblick danach war Shanesh fort.
Arjk versteckte sich plötzlich hinter dichteren Ästen. Tharon schaute sich sofort um, und er sah eine kleine zierliche Gestalt.
"Du?"
"Ja, ich. Und ich will dir etwas sagen", sprach Zea.

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Beitrag von Tharon » 11 Apr 2009, 09:57

Nach den vergangenen Ereignissen überlegte Tharon hin und her, ob er Darius aufsuchen sollte oder nicht. Alan war der Ansicht, dass Darius' Geist wieder der eines Kindes sei, nachdem der Fremde seinen Leib verlassen hatte. Ja, es war ihnen gelungen, durch einen alten Tunnel bis in den Palast zu gelangen, um Darius zu entführen. Während der Kämpfe dann musste der Fremde Darius verlassen haben.
Auch Cyrians Geist war wieder frei -der Bretone, den Cyrian an der Küste gefunden hatte, bestätigte es. Scheinbar hatte dieser Mann, der sich an seinen Namen nicht erinnern konnte, nun diese besondere Fähigkeit. Er berichtete, wie er bereits in Marjastika war -gemeinsam mit Cyrian, Tharon und den anderen. Die Mutter Urukus würde ihnen also bald erzählen, was es mit Akasha auf sich haben mochte. Von den Akashafeldern, und wie man sie kontrollieren konnte. Doch wenn nun zwei Fremde fort waren, wo waren sie nun? War immer noch einer dieser 'Chronisten', wie sie sich nannten, im Schwert Samgard? Als sie im Palast waren stieß das Schwert in die schwere Holztafel im Saal. Titus gelang es nicht, das Schwert heraus zu ziehen, und als die Zeit knapp wurde, weil die Zwerge den Palast beschossen, mussten sie die Klinge zurück lassen.
Sollte er zu ihm gehen oder nicht? Immer wieder kam ihm der Gedanke, all die offenen Fragen mit einem Schwertstreich zu beenden, Darius' Leben zu beenden. Sollte dieser Mann -oder dieses Kind- wirklich wieder regieren wie einst? Einer, der den Pakt mit den Dunklen Alten einging und nunmehr für den Tod vieler ebenso verantwortlich war? Tharon machte an der Taverne in Tilhold Halt. Er stieg ab und ließ Frigga eine Weile das saftige Frühlingsgras genießen. Seine Handschuh streifte er ab, die Waffen stellte er wie den Schild und den Helm in eine Ecke. Krachend fiel auch das Kettenhemd zu Boden, ebenso das Lederwams, das er darunter zu tragen pflegte.
"Wenn du in einen Badezuber willst, dann mach das oben, aber nicht hier vor meinen Augen", sagte die Tochter des Wirtes schmunzelnd.
"Ich brauche eine Schaufel, und etwas Wasser."
Vorsichtig trug er nun den kleinen Baum, den er vor dem Fimbul in Sicherheit gebracht hatte, hinaus. Er grub ein Loch und pflanzte ihn wieder an die alte Stelle. Die Erde wühlte er mit den Händen wieder darüber, dass er Wurzeln fassen konnte. Etwas Wasser darüber, danach stand Tharon eine Weile stumm an Ort und Stelle. Dass er im Archiv, das 'die Kerze' genannt wurde, für einen Moment ihre Stimme hörte, war nichts als Hexerei, hatten doch Sigandi und Cyrian ebenso jeder etwas anderes gehört, als sie entlang der Elementarlinie des Feuers reisten und dort eine Zwischenstation in Kauf zu nehmen hatten. Dennoch erinnerte er sich an den Baum und dass es an der Zeit war, ihm das Licht des Frühlings zu schenken.
Vieles war wieder anders.
Vor einigen Tagen noch spürte er jeden Muskel und jeden seiner Knochen. Bevor sie nach Bretonia gelangten, galt es, den Blauen Turm zu verteidigen und ebenso die Schlacht am Waldrand zu schlagen. Die Armee des Waldes, unter dem Grünen Banner vereint, stand zusammen mit den Edaiern, Nordmannen und Hun am Waldrand, um das Lager des Feindes, an einem der alten Wachtürme, zu erstürmen. Selbst Ymir hatte seine Riesen und Vendus entsandt. Was versprach sich der Riesenkönig davon? Oder sollte er tatsächlich einmal das Richtige tun? Es gab keine Zeit mehr, darüber Fragen zu stellen. Der Späher meldete Lariena, dass das Lager leer sei, kein Feind war zu sehen. Doch auch diese Frage war nicht mehr wichtig, sie wurde beantwortet:
Die Erde bebte, und mit einem mächtigen Grollen brach sie auf, Spalten taten sich auf, Säulen aus Feuer schnellten hervor -und mit ihnen die Diener der Dunklen Alten. Die Mazzrarim, größer als jeder Mann und bewaffnet mit feurigen Klingen, die Teil ihrer Arme waren, stürmten gegen die Armee des Grünen Banners. Ihnen folgten andere nach. Darunter auch jene riesigen Ungeheuer, an deren Flügelenden scharfe Klingen sich wie von selbst bewegten. Es war so ein Wesen, das einst, bei der Schlacht um Hohenfels, Tharons linke Hand abgeschlagen hatte, und auch hier schnitten sie sich buchstäblich durch die Reihen der Armee, als wäre sie ein nutzloses altes Stück Fleisch. Doch die Armee des Waldes und ihre Verbündeten waren in der Tat zahlreicher. So wurde Welle um Welle abgewehrt, um endlich selbst anzugreifen. Selbst die großen Kreaturen fielen, als auch die Feen wie eine geschlossene Klinge angriffen und sie fällten. Lebende Bäume gingen in Ringkämpfe mit den übergroßen Wesen, in deren Kronen die Leiber der Getöteten baumelten. Wenn diese fielen, bebte die Erde erneut. Die Riesen Ymirs starben alle, doch vorher konnten sie die größten Diener des Feindes mit sich in den Tod reissen. Kelten, Elaya und die anderen nahmen sich jene vor, die beinahe auf Augenhöhe waren, und von überall her war durch die Nebel des Krieges irgendwann das Wort 'Sieg' zu vernehmen -die Schlacht um den Waldrand endete für das Grüne Banner mit einem tadellosen, doch auch verlustreichen Sieg.
Endlich.
Und obschon keiner mehr stehen konnte, musste man reiten. Die Kelten und Baumwesen sicherten den Wachturm, während ein kleinerer Trupp sich durch den Tiefenwald zum Blauen Turm aufmachte. Quentar und Mazzrarim belagerten die Heimstatt der Tirinaither. Mit der letzten Kraft schlugen sich Tharon und die anderen durch die sich lichtenden Reihen. Wohl war auch eine Flotte Bretonias dort, um den Dunklen Alten beizustehen. Ein Sieg schien aussichtslos. Hoffnung schwand. Aber im letzten Augenblick geschah etwas, das sonderbar war. Die Bretonen zogen sich zurück, und mit ihnen die Diener der Dunklen Alten! Elvadus war bei Auluua, die kraftlos am Boden saß, innerhalb des Turmes. Sie benötigte Ruhe. Und später würde Tharon sie noch einmal sehen, wenn sie ihm sagte, dass sie eine Weile am Turm bleiben würde, unter Elvadus' Aufsicht. Es ging schließlich nach Bretonia, wo sie Darius fanden.
"Was stehst du da und grübelst?" fragte der alte Leif.
Tharon blickte weiter zum Baum.
"Ich überlege, Darius zu töten. Dann hat das wenigstens ein Ende", antwortete er grimmig. Er meinte es ernst.
Leif schüttelte den Kopf.
"Ich will dir etwas zeigen."
Der alte Mann holte seinen Esel.
"Lass dein Pferd hier, führe besser mich und meinen klapprigen Esel an den Ort, wo ich dir etwas zeigen will."
Sie erreichten die Lichtung, wo die alte Jagdhütte des Ogers war. Tharon sah das Quentarweibchen, das sie durch die Hilfe einer Elaya und einer Keltin, der Schwester Larienas, retten konnten. Die Quentar waren einst ein harmloses Volk, bevor die Dunklen Alten sie knechteten. Und das Weibchen war schwanger. Sie war es. Denn Tharon sah sie, wie sie im Arm ein kleines Wesen mit ledrigen Flügeln hielt. Sie nahm Leif und ihn sicher wahr, doch schien sie sich nicht bedroht zu fühlen.
"Sie hat's geschafft", sprach Tharon leise.
Leif nickte.
"Ja. Und nun, sag mir, wieso willst du das tun?"
"Weil es Stimmen gibt, die ihn verschonen wollen."
"Und ist das falsch?" fragte Leif.
Tharon wollte sofort antworten, dann schaute er wieder zur Quentar.
"Sollen sich andere darum kümmern."
"Wieso diese Gedanken, Tharon?"
"Leif. Ich habe eine Menge erfahren, vor wenigen Stunden erst."
Leif ließ es sich erzählen:
Nach der Schlacht erschien ein Bote des Feindes, der dem Widerstand eine Waffenruhe anzubieten hatte, und Cyrian nahm das Angebot an. Nun wollte der Lethos die Zeit nutzen, um mit Hilfe des Finstertores bis in die Finsterschlucht zu gelangen. Dort wollte er in Erfahrung bringen, was vor ewig langer Zeit geschehen war, dass die Dunklen Alten wurden, was sie wurden.
In der Schlucht fanden sie mehrere Felsen, die einst wohl Teil eines Gebäudes waren, bis die Zeit und die Veränderung, bis Salzwasser die Mauern einriss und den Ort wie die ganze Schlucht veränderte. Und in der Mitte dieses Ortes war ein Ecaloscop, verbunden mit mehreren Lichtern, die wohl ein Tor bildeten -eines, das sie vorher nie gesehen hatten. Tharon wollte nicht umsonst hier sein. Er zögerte also nicht und trat ein, wie die anderen, Cyrian, Prey, Feodyn, Harding und Sigandi, ebenso.
Sie wurden stumme Zeugen der Dinge, die geschahen:
Die Welt der Chlai, das war der Name des Volkes der Dunklen Alten, war eine grüne Welt, mit vielen Bäumen, Seen und Feldern. Keine Spur der gegenwärtigen Dunkelheit war zu sehen.
Die Ecaltanim kamen. Die Fremden, in den Leibern der Diener des Meeres, darunter gar Klammberg, überzeugten die Mutter dieses Volkes, mit ihrem Sohn Ecaltan zu sprechen. Ja, sie waren ein Volk. Doch sie hatte ihren Sohn verstoßen, als er dem Herrn der Hun die Elemente stehlen wollte. Es gelang ihm, seiner Mutter seine Liebe zu verkaufen. Und wie jede Mutter glaubte auch sie ihrem Sohn. Offenbar war es die Suche nach dem geheimnisvollen Akasha, die seinem Vater das Leben kostete und die ihn selbst antrieb. Er schwor einen Eid, es werde ihr nichts geschehen, wie auch ihrem Volk und ihrem Reich nicht. Sie war einverstanden.
Dann sahen sie das Ende dieses Unternehmens: Ecaltan benutzte die Maschine und stahl dieser Welt die Siegel. Der Himmel bestand nur noch aus einem wirren Grün und sich entladenden Blitzen, die Gebäude waren Ruinen, und überall war nur noch der Tod und die Veränderung, die sich wohl noch Ewigkeiten erweiterte bis zur heutigen Finsterschlucht. Und Ecaltan schien zufrieden. Ein Teil seiner Seele glitt in dieses Land, denn er hatte den Eid gebrochen. Doch offenbar nahm er es hin, wenn er nur Akasha finden mochte. Nicht nur die Dunklen Alten suchten nun die Siegel Kheldrons, um ihre eigene Welt zu heilen. Auch er suchte sie, auf seinem Weg, Akasha zu finden. Sich selbst zu erkennen, wie die Ecaltanim Rubin und Turmalin sagten.
Feodyn war schrecklich wütend. Er verfluchte die Dunklen Alten wie auch die Ecaltanim. Tharon spürte die Erkenntnis, dass sie es mit Ecaltan ebenso zu tun hatten wie mit dessen Mutter. Doch wo die Dunklen Alten schon Krieg führten, um ihr Ziel zu erreichen, da schienen die Ecaltanim sich in Schweigen zu üben -wann und wie würden sie handeln, zuschlagen?
Der Schwarm war es, der Ecaltans Vater tötete, auf dessen Akashasuche. Und er war es, der Tharon und die anderen zurück brachte.
"Und das macht dich wütend, dass du Darius umbringen willst?" fragte Leif schließlich.
Tharon zögerte. Dann antwortete er ehrlich.
"Ja." So war es tatsächlich.
Leif schüttelte den Kopf.
"Weißt du was? Du wirst mir heute lieber helfen, meine alte Hütte zu reparieren. Der Winter hat sie ganz schön mitgenommen. Und wenn du am Ende des Tages immer noch mordend durch Nordstein streifen willst, dann kannst du das immer noch machen."
Leif sprach so, wie er es immer tat, wenn er recht hatte. Und wenn er keine Widerworte hören wollte. Seinem Alter hatte man Respekt zu zollen.
"Gehen wir."

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Tharon
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Beitrag von Tharon » 12 Aug 2009, 18:25

Frieden mit den Chlai. Der Gedanke war ebenso seltsam wie einleuchtend. Das Schicksal meinte es schon immer besonders gut, wenn die Lage ohnehin aussichtslos schien. Nun hatten sie nur einen Krieg gegen den anderen getauscht. Der Rosentempel war zu bauen, und dies wäre die Voraussetzung für die Mutter der Chlai, diesen Frieden zu erhalten. Sie würden diese Welt endlich verlassen, wenn ihre eigene wie sie selbst geheilt wäre. Und nun? Nun war Ecaltan ein Gegner. Er, der alles getan hatte, um die Siegel der Elemente zu erreichen. Er, der von einem, den man den Meshiha Deghala nannte, verführt worden war. Das war nun der Feind. Bitter zeigte sich das, als die Schlacht auf der Insel geführt wurde. Fliegende Abscheulichkeiten, ebenso Kolosse, welche die Wesen der Chlai mühelos an Größe und Zerstörungskraft erreichten. Wieso hatte der Meshiha seinen Angriff bloß angekündigt? Es gab keine Antwort darauf, noch nicht. Die Schlacht war gewonnen, aber etwas war im Gange. Wer dies nicht spürte, lebte nicht hier.
Ob die neuen Bewohner der Nordlande schon alles verstanden, was hier geschehen war und noch im Begriff war zu passieren? Es waren Nordmannen, jedoch Söldner. Tharon hatte nie Verständnis für diese Leute. Es gab mehr und wichtigeres als Gold. Doch wenn sie nur Gold wollten, dann würden sie auch nichts anderes bekommen. Vertrauen musste man sich verdienen, und von diesen Leuten traute er nur einem. Selbst der müsste sich jeden Tag bei ihm beweisen. Wer die alten Sitten nur vorschiebt und in Wahrheit hinter Tand her war, der würde von ihm ebenso behandelt werden.
"Ja, sie sollen hier ihren Kampf austragen. Wie sind ihre Namen?" fragte die alte Frau.
"Merunes und Kuma", murmelte Tharon.
Die Heldiener dieses alten Ortes waren entzückt, dass die Jugend hier ihre Streitigkeiten austragen würde.
"Kann sein, dass einer gegen diesen Ort ist. Dieses achtlose Weib scheint zumindest ein Problem zu sehen."
"Wir werden achtgeben."
Tharon ritt nun zurück zur Taverne. In einer Pfütze betrachtete er kurz sein Gesicht, die Brandwunde, das blinde Auge. Doch die Narben aus Marjastika waren dank Sulva verschwunden. Seit sie ihre Waffen abgelegt hatte, um einem anderen Weg zu folgen, schien sie eine besondere Kraft zu haben. Wenn es ihr Weg war, dann war er richtig. Jetzt musste nur noch Eldorian gefunden werden, wie auch immer.
"Und sie ist also doch tot?" fragte der alte Leif.
"Moena? Ja. Das war sie nicht. Was auch immer da vorgeht, es ist noch nicht vorüber."
"Wieso glaubst du das?"
"Weil ich etwas erfahren habe", sprach Tharon, bevor er sein Pferd in die Stallungen führte.

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