Wulfus bedankte sich bei dem Einsiedler, der dicht an der Waldgrenze in einer Blockhütte hauste und Wulfus dort für eine Nacht beherbergte. Er lächelte kurz, als der Nordmann ihm ein Fell aus Midgard auf den Tisch legte und meinte bloß, Wulfus sollte es behalten, denn es würde kalt werden, wenn er wirklich den Berg besteigen wolle. Wulfus schmunzelte und murmelte zum Abschied, dass er am Rückweg sein Geschenk vor die Tür legen würde.
Sein Pferd ließ er nahe der Hütte stehen. Das struppige Pony war Kälte und Wildnis gewohnt und wenn Wölfe heulten, dann würde es schneller sein, als die hungigen Räuber. Sein Falke Nuurt saß über dem im kargen Moos grasenden PFerd in den Baumkronen und blickte aufmerksam hin und her.
Dann stapfte Wulfus los. Vor ihm baute sich der Berg auf - der, der ihm einst fast das Leben nahm. Er würde sich vor Lawinen in Acht nehmen müssen. Stunden marschierte er: Durch endlose Schneefelder, über steile Hänge und ab und zu musste er auch klettern. Doch kannte Wulfus die Wege, die ihn fast alle gefährlichen Passagen umgehen ließen, für den Preis, dass er endlos im Zickzack wanderte.
Oft blickte er in die Höhe, wo er Tharons Raben immer wieder im Himmel sah und wünschte sich, selbst auch fliegen zu können. Doch er hatte diesen Weg zu gehen und dies war noch der gemütlichere Teil - auch wenn der schwere Hammer schon nach wenigen Stunden Schmerzen an seinem Rücken verursachte und die Kälte mit jedem Höhenmeter zunahm.
Im düsteren Licht des Tagesendes erreichte er das Hochplateau. Wulfus spürte die Kraft dieses Ortes - es fühlte sich wie das Gegenteil dessen an, was er während seinem Aufenthalt im ausgestorbenen Dorf mit dem gealterten Toran spürte. Die Götter waren hier fühlbar - und mit jedem Schritt hin zu dem alten Runenstein, der unscheinbar im Schnee stand, merkte Wulfus, dass etwas Bedrohliches von den sonst ihm meist wohlgesonnenen Göttern ausging. Die Luft schien zu vibrieren und Wulfus hielt sich nur mühsam auf den Beinen. Dann erreichte er den Runenstein und kniete sich in den Schnee, schon im Hinsetzen den Stein berührend. Mit lauten Gebeten drückte er seine Schuldigkeit aus, im tiefsten Herzen bereit, die entzürnten Götter zu beruhigen. Doch das Mal an seinem Nacken glühte auf und schmerzte, während sich gleichzeitig sein Hammer aus den Schlaufen löste und wie von Geisterhand über ihn hinweg zum Runenstein schwebte. Als dann auch noch die zerlumpt wirkende Donnerrobe in ihrem vollen Glanz erstrahlte und jede einzelne Rune zu sprechen schien, war der Schmerz und die Schmach für Wulfus fast unerträglich. Kauernd betete er weiter vor dem Stein, bemüht, die Verzweiflung nicht vollendens Überhand gewinnen zu lassen.
Stimmen peitschten durch den dichten Schneefall und Schemen huschten herum. Dann erklang eine Stimme: "SPÜRE DEN BLITZ, ERZITTERE UNTER DEM DONNER!".
Und Wulfus spürte den Schmerz, den Thor verursachen konnte. Gekrümmt lag er da und bat verzweifelt um Vergebung, den Schmerz der Wunde vor lauter Angst nicht spürend.
Und wieder erklang eine Stimme: "SPÜRE, OHNE LIEBE ZU EXISTIEREN!". Und der kauernde Wulfus spürte eine Leere in sich, die ihn von innen aufzufressen schien.
Er wimmerte Freyas Namen, doch stattdessen hörte er die reine Stimme Baldurs: "Und nun sei blind und spüre Hass in dir!". Und die Leere in Wulfus wich dem Hass, während er blind ganz in den Schnee fiel und sich mit den Händen am Runenstein und an dem dort schwebenden Hammer festzuhalten versuchte.
"Blind wie ich, nur im Inneren voller Hass. Öffne die Augen und sehe, was Hass anrichtet!" Und Wulfus sah Zerstörung und Leid, bis Hödurs Vision schwand und die letzte Stimme zu ihm sprach: "Du hast Unrecht getan und deine Götter entzürnt - wie ein Ungläubiger, nicht wie ein Reiter - nimm deine Waffe und empfange das Zeichen, das dich daran immer erinnern soll, solange wir dich noch auf Erden wandern lassen!".
Wulfus griff nach Forsetis Worten halb blind zu seinem Hammer und als er ihn packte - strahlte Waffe auf und Wulfus wurde mit ihr in den Händen vom Runenstein weggeschleudert. Schmerz durchfuhr seinen Körper und Runen brannten sich in seine Handflächen. Benommen blieb er im Schnee liegen und wartete, dass die Bewusstlosigkeit ihn von den Schmerzen erlöste - doch hörte er vorher noch eine leise Stimme etwas in sein Ohr hauchen, worauf ein schelmisches Lachen ertönte.
Dann umschloss ihn Dunkelheit.
Er träumte von seinen Wegen auf Erden, von Enttäuschungen und Siegen, von geliebten und gehassten Menschen, der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft. Dann sah er Heimdall vor sich, mit einem väterlichen Lächeln, indem sich auch Enttäuschung spiegelte. "Wach auf und gehe - noch ist es nicht soweit!".Statistik:Verfasst von Wulfus — 15 Dez 2008, 19:48
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